Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Forschungszentrum und unterziehe mich zahlreichen Tests. Bei einem davon zieht ein Forscher namens Chris blaue Operationshandschuhe an und wedelt nacheinander mit 18 Marker-ähnlichen Stiften unter meiner Nase. Ausgehend von vier Möglichkeiten muss ich den Geruch jedes Stifts identifizieren.
Riecht Stift Nummer 5 nach Leder, Terpentin, Klebstoff oder Gummi? Ich schließe die Augen und atme ein. Er riecht wie die Slipper meines Vaters. Leder.
Ein anderer Stift riecht nach Honig. Auch Pfefferminze und Anis kann ich erkennen. Die Stifte sind ein überzeugendes Geruchserlebnis – so überzeugend, dass mir das Wasser im Munde zusammenläuft. Vor allem bei dem Zitronenstift. Andererseits stinkt Stift Nummer 16 so penetrant nach Fisch, dass ich unwillkürlich zurückzucke.
Danach ist mein Geschmackssinn an der Reihe. Unter Aufsicht der Psychologin Danielle Reed schlucke ich drei Dutzend Reagenzgläschen klarer Flüssigkeiten, verschiedenartige Cocktails der fünf Geschmacksrichtungen süß, sauer, bitter, salzig und umami. Letztere ist wenig bekannt; gelegentlich wird die japanische Bezeichnung auch mit »wohlschmeckend« übersetzt. Gemeint ist ein fleischiger Geschmack wie der von Shiitake-Pilzen und fermentiertem Fisch.
Anschließend schaut Dr. Reed sich an, welche Antworten ich auf den sechsseitigen Fragebogen gekritzelt und welche Wörter ich auf Multiple-Choice-Listen wie »Seife, Moschus, Urin, Milch, Vanille« umkringelt habe.
»Tja«, sagt Dr. Reed, als sie endlich wieder aufschaut. »Sie sind der schlechteste Proband, den wir hier je hatten.«
Ich lache. Diese Wissenschaftler haben einen ziemlich trockenen Humor.
Dr. Reed verzieht keine Miene.
»Wirklich?«
»Ja, wirklich.«
Offenbar habe ich ein paar echt peinliche Fehler gemacht. Ich habe sauer mit umami verwechselt und halbsüß mit sehr süß. Ich habe den Geschmack von Zitronen und Orangen verwechselt. Ich bin der schlechteste Proband von den Dutzenden Kandidaten, die diese Tests bisher absolvierten.
Das ist äußerst unerquicklich. Ich meine, ich würde mich nicht unbedingt als Feinschmecker bezeichnen – aber muss es gleich die stumpfsinnigste Zunge von ganz Amerika sein? Oder jedenfalls in der Geschichte dieses Forschungszentrums? Und das, obwohl ich mir sicher war, dass mein Geschmackssinn sich seit Beginn meiner zucker- und salzarmen Ernährung verbessert hat.
Ein weiteres Mal entpuppt sich Project Health als strenger Zuchtmeister in Sachen Demut und Bescheidenheit. Im Gegensatz zu allem, was meine Mutter immer gesagt hat, bin ich längst nicht immer besser als die anderen. Ich bin nicht der Einstein der Physik oder der Michael Jordan des Basketballs. Manchmal bin ich nicht einmal der Michael Jordan des Baseballs. Und das, obwohl er bei seinem glücklosen Intermezzo dort nie über die Minor League hinauskam.
Mein Geschmacks- und Geruchssinn sind nicht einfach nur schwach ausgeprägt, sondern in bestimmten Fällen sind sie regelrecht blind. Das ist das Problem. Beispielsweise kann ich umami nicht richtig schmecken. Und eine Substanz mit Namen Androstenon kann ich überhaupt nicht riechen.
Mit diesem Problem stehe ich allerdings nicht allein da. 45 Prozent aller Amerikaner sind aus genetischen Gründen unfähig, Androstenon zu riechen – ein Steroid, das in Schweiß, Urin und seltsamerweise auch Schweinespeichel vorkommt und ziemlich übel riecht. So sagt man jedenfalls – aber ich für mein Teil werde nie erfahren, ob das auch stimmt. Also nur zu, viel Spaß mit dem Schweißgeruch, ihr restlichen 55 Prozent Glückspilze!
Unser Geruchs- und Geschmackssinn ist individuell verschieden, hauptsächlich aus genetischen Gründen. Aber bis heute war mir nicht klar, dass meine Welt anders riecht und schmeckt als die meiner Freunde.
Trotz meiner schlechten Testergebnisse war ich nicht am Boden zerstört, als ich den Heimweg antrat. Die Lage ist nämlich nicht völlig hoffnungslos. Ich kann etwas gegen mein Manko unternehmen. Die Wissenschaftler des Monell Centers haben meine To-do-Liste um zwei Punkte verlängert: Ich soll meinen Geruchssinn schärfen, und ich soll Düfte als Entspannungshilfe verwenden.
Aufgabe 1: Geruchssinn schärfen
»Zwischen unserem geistigen Wohlbefinden und unserem Geruchsvermögen besteht ein Zusammenhang«, erklärte mir Dr. Pamela Dalton, Forscherin am Monell Center. »Es handelt sich zwar nicht um eine 100-prozentige Wechselwirkung«, sagte sie, »aber wir wissen, dass Menschen, die ihren Geruchssinn verlieren, zu
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