Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Tage lang außer Gefecht setzt, bin ich schon ewig nicht mehr ins Schwitzen geraten. Das muss aufhören. Oder anfangen – wie man’s nimmt.
KAPITEL 2
Das Herz
Vom Versuch, den Kreislauf auf Trab zu bringen
Sport ist nicht so mein Ding. Nie gewesen. Mein ganzes Erwachsenenleben lang habe ich nie einen Fuß in ein Fitness-Studio gesetzt – eine Tatsache, die Julie mit großer Sorge erfüllt. Doch ich habe natürlich gleich mehrere Argumente parat, die meine Einstellung untermauern:
Argument 1: Das tragische Schicksal von Jim Fixx
Das ist der Klassiker unter den Argumenten gegen körperliche Ertüchtigung und gesunde Lebensführung im Allgemeinen. Ich habe es schon oft gehört und mindestens genauso oft wiedergegeben. Es lautet:
Jim Fixx – der Mann, der die Fitness-Revolution einläutete, der Autor des Standardwerks Das komplette Buch vom Laufen aus dem Jahr 1977 – verstarb im Alter von 52 Jahren. Nach seiner täglichen Joggingrunde erlitt er einen Herzinfarkt. Wozu also sich abrackern, wenn man doch nie wissen kann, wann der Tod an die Tür klopft?
Der großartige Komiker Bill Hicks, der ebenfalls jung starb – mit 32 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs – hatte in seinem Repertoire eine berühmte Nummer über Jim Fixx. Darin spielte er den Joggingpapst, wie er ärgerlich im Jenseits hockt und mault, er sei schließlich jeden Morgen gejoggt, habe sich nur von Tofu ernährt und sei täglich 500 Bahnen geschwommen – und trotzdem habe er den Löffel abgeben müssen. Der Schauspieler Yul Brynner ist inzwischen ebenfalls tot, räsoniert Hicks alias Jim Fixx weiter, aber immerhin lebte der auf Teufel komm raus, trank und rauchte, was das Zeug hielt, und ließ blutjunge Frauen Nacht für Nacht seine »Billardkugel« streicheln. »Scheiße«, rief Fixx/Hicks an dieser Stelle frustriert, »so eine verfluchte Scheiße«.
Mein Freund Paul hat kürzlich in anderen Worten mehr oder weniger dasselbe gesagt. Oder besser: geflüstert. Denn er wollte nicht, dass unsere Frauen – beide Fitnessfanatikerinnen – mitbekommen, was er sagt. »Rechne dir das doch nur mal aus. Eine Stunde täglich. Das sind 300 Stunden im Jahr. 3000 Stunden in zehn Jahren. Und dann stell dir vor, wie sinnvoll es wäre, diese Zeit auf dem Felde mit Aussaat und Ernte zu verbringen. Oder im Dienste der Gemeinschaft. Okay, man kann damit seine Lebenserwartung steigern. Aber warum eigentlich? Nur um im Altersheim fünf Jahre länger in eine Schnabeltasse zu sabbern?«
Argument 2:
Der medizinische Fortschritt wird’s schon richten
Eine altbekannte Spekulation. Und einer meiner Lieblingsgründe dafür, schlechte Angewohnheiten beizubehalten. Mein Freund und früherer Praktikant Kevin (der auf mich einen ähnlichen schlechten Einfluss hat wie Paul) hat in dem Zusammenhang mal gesagt: »Ich rauche zwar nicht, aber ich kann mir durchaus vorstellen, damit anzufangen. Wie lange braucht so ein Lungenkrebs, um sich zu entwickeln – 30 Jahre vielleicht? Und bis es dann bei mir so weit ist, gibt es bestimmt eine genetisch wirksame Nano-Roboter-Tablette, die mich im Handumdrehen heilt.«
Dieses Argument geht mir oft durch den Kopf, denn der medizinische Fortschritt hat ja tatsächlich Überschallgeschwindigkeit erreicht: Sollte ich irgendwann krankhaft fettleibig werden, kann mir mein Arzt bestimmt eine Gewichtskontrollpille oder einen Shake mit Ananasgeschmack verschreiben, und schon ist die Sache wieder im Lot. Und bis von meinen Zähnen nur noch faulige, gelbliche Stummel übrig sind, hat die Wissenschaft garantiert herausgefunden, wie sich aus Stammzellen neue, makellose Backenzähne züchten lassen.
2010 gelang es einer Forschungsgruppe der Harvard University unter Leitung von Dr. Ronald DePinho sogar, das Alter von Mäusen umzukehren . Und zwar mit Hilfe eines Enzyms namens Telomerase, das auf den Chromosomenenden kleine Schutzkäppchen, die Telomere, bildet und für deren Erhaltung sorgt. Dank dieser Käppchen lässt sich die allmähliche Degeneration der Chromosomen aufhalten – eine der wichtigsten Ursachen für Alterungsprozesse im Körper. Wer weiß, in zehn Jahren gibt es solche Telomerekäppchen womöglich auch für Menschen. Und in Sachen Lebenserwartung herrscht dann vielleicht Chancengleichheit zwischen Gesundheitsbanausen und Gesundheitsaposteln.
Argument 3:
Fitness-Studios sind Brutstätten für Keime aller Art
Als – wenn auch gemäßigter – Zwangsneurotiker bin ich von Haus aus ein großer Fan des Mikrobenarguments. Ich
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