Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Hause zur Tür reinkomme, umarmt Julie mich und überreicht mir ein Fitness-Studio-Premierengeschenk: einen Kraftriegel mit einer rosa Kerze darauf.
»Auf diesen Augenblick habe ich jahrelang gewartet«, sagt sie.
Seit zehn Jahren träumt Julie davon, dass regelmäßiger Sport es auf der Liste meiner Neujahrsvorsätze bis ganz nach oben schafft. Kein Wunder, dass mein erster Work-out für sie zu den bisherigen Höhepunkten unserer Ehe zählt.
Am nächsten Tag hatte ich kaum Muskelkater. Ein gutes Zeichen, dachte ich. Weil ich da noch nicht wusste, dass die Muskelschmerzen in der Regel nicht einen, sondern mit etwas Verzögerung erst zwei Tage nach der körperlichen Anstrengung einsetzen. (Der Fachbegriff für diese winzigen Risse im Muskelgewebe, die sich insbesondere untrainierte Zeitgenossen zuziehen, lautet daher Delayed Onset Muscle Soreness, kurz DOMS .)
Zwei Tage später setzt der DOMS auch bei mir ein. Und wie. Ich laufe herum wie Frankensteins Monster, mit steifen Beinen und vornübergebeugtem Oberkörper. Um mich auf der Toilette niederzulassen, brauche ich eine geschlagene Minute: Ich muss mich am Waschbecken festklammern und ganz behutsam auf den Toilettensitz hinunterlassen. Doch der Schmerz erfüllt mich auch mit einer gewissen Befriedigung. Mein Körper tut offensichtlich einen Schritt in die richtige Richtung. Das ist doch was, oder?
Work-out à la Steinzeitmensch
Inzwischen gehe ich ein paarmal die Woche ins Fitness-Studio – mein Widerwille ebbt allmählich ab –, aber ich möchte auch andere Trainingsmethoden testen. Während Project Health muss ich quasi zum Allround-Fitnesstrend-Tester werden. Weshalb ich als Nächstes das Gegenteil von körperlicher Ertüchtigung in geschlossenen Räumen ausprobieren möchte: den Caveman-Work-out. Bewegung draußen in der Wildnis, spontan, ungebändigt und vollkommen natürlich. In meinem Fall läuft »draußen in der Wildnis« auf den Central Park hinaus.
Am nächsten Sonntag werde ich also mit vier anderen Männern zusammen Felsbrocken werfen und barfuß durch den Naturpark von Manhattan streifen.
Die Caveman-Bewegung (oder Paläo-Bewegung, wie ihre Anhänger lieber sagen) ist derzeit noch ein Randphänomen. Es gewinnt jedoch an Boden. Der Grundgedanke ist simpel: Im Laufe von Millionen Jahren hat der menschliche Körper seine Bewegung und Ernährung seiner Lebensweise angepasst. Doch dann, aus evolutionsgeschichtlicher Sicht erst in jüngster Zeit, änderte sich unser Leben radikal. Vor 10 000 Jahren wurden die Jäger und Sammler sesshaft und begannen, Ackerbau zu betreiben. Und inzwischen verbringen wir seit einer gefühlten Ewigkeit unsere Tage überwiegend am Schreibtisch. Wenn wir trotzdem kerngesund bleiben wollen, müssen wir uns, so die Anhänger der Paläosophie, auf unsere Ursprünge besinnen. Will sagen: lernen, uns wieder in der Natur zu bewegen und dasselbe zu essen wie früher die Steinzeitmenschen.
Natürlich bietet dieser Trend eine Steilvorlage für Witzchen aller Art. Was meine Freunde gnadenlos ausnutzen: »Soso, Steinzeitmenschen-Work-out. Schleifst du da auch Frauen an den Haaren durch den Wald?« – »Wie war doch gleich die durchschnittliche Lebenserwartung in der Steinzeit? 28 Jahre? – Na dann viel Glück!« (De facto ist umstritten, wie alt Höhlenmenschen wirklich wurden.)
Ich stehe großen Teilen des Caveman-Dogmas eher skeptisch gegenüber, insbesondere dem Prinzip einer überwiegend fleischbasierten Ernährung. Doch davon später mehr. Trotzdem finde ich, dass man die Paläo-Bewegung nicht einfach abtun sollte. In einigen Punkten hat sie durchaus recht, zum Beispiel, was den menschlichen Körperbau betrifft. Der wurde eindeutig für andere Zeiten entwickelt.
Also will ich diesen Steinzeitmenschen-Work-out einfach mal ausprobieren. Ihr Erfinder ist der 39-jährige Franzose Erwan Le Corre. Er hat MovNat, kurz für Mouvement Naturel, aufgebaut.
Le Corre organisiert Workshops in der ganzen Welt, von West Virginia bis Thailand. Heute lebt er in New York. Wir treffen uns am Eingang zum Central Park Ecke 108th Street und Central Park West Avenue.
Erwan läuft in schwarzen Shorts und schickem Zip-up-Sweater auf. Er sieht geradezu lachhaft gut aus, wie einer dieser Fünfziger-Jahre-Hollywoodhelden: markante Gesichtszüge, perfekt frisiertes, sandfarbenes Haar, wohldefinierte Muskeln, die aber nicht nach Steroid-Nachhilfe aussehen.
»Super Park«, sagt er mit starkem französischen Akzent und lässt den Blick durch die
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