Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
zugerümpelten Dachboden. Ich kann dort keinen einzigen klaren Gedanken finden. Doch anders als Lamb bin ich eher wütend als apathisch. Wie kann mein Körper mich nur derart im Stich lassen?
Andererseits dürfte mich genau das eigentlich nicht überraschen. Mein Immunsystem hat Keimen immer schon bereitwillig Tür und Tor geöffnet. Es ist einfach zu höflich – wie eine liebenswürdige Gastgeberin, die all die netten Mikroben spontan einlädt, es sich gemütlich zu machen und von ihrer selbstgemachten Pastete zu kosten. Im Jahresdurchschnitt bin ich bestimmt an die sechs Mal erkältet. Julie hingegen wird fast nie krank. Meine Kinder können froh und dankbar sein, dass ich die Immunsystem-Leiter hinaufgeheiratet habe.
Meine aktuelle Erkältung habe ich mit allen Therapien und Methoden behandelt, die auch nur halbwegs wissenschaftlich gesichert sind. Ich habe Zinktabletten geschluckt, mit Salzwasser gegurgelt, viel geschlafen und mir eine Nasendusche zugelegt. (Für die Wirksamkeit anderer Klassiker – Echinacea, Multivitamin-Multimineralientabletten, megahochdosiertes Vitamin C, Wärmflaschen auf dem Kopf – gibt es leider kaum Belege.)
Die Nasendusche, auch Neti-Kännchen genannt, war für mich die größte Überraschung. Nur für den Fall, dass Sie so ein Ding noch nie gesehen haben: Es sieht aus wie ein Teekännchen, nur dass man damit nicht Darjeeling in eine Tasse, sondern Salzwasser in ein Nasenloch gießt. Das Wasser strömt in die Nasennebenhöhlen, plätschert dort ein Weilchen herum und strömt dann zum anderen Nasenloch wieder hinaus. Auf diese Weise werden die Atemwege gereinigt und befeuchtet, was den Nasenschleim löst und beseitigt.
In der Praxis ist der Gebirgsbach, der da auf einmal durch den Schädel mäandert, eine zunächst äußerst widernatürliche Erfahrung. Ich hustete, ich prustete, ich unterdrückte aufsteigende Panik. Ich drehte und beugte den Hals in anatomisch waghalsigen Winkeln. Trotzdem war das Ganze unterm Strich überraschend wirksam. Es spülte allen Dreck aus meinen Nasenhöhlen. Das Innere meines Kopfes wandelte sich vom zugerümpelten Dachboden zum weiten Land, so frisch und klar wie eine Schweizer Alm. Ich nehme mir fest vor, mein Neti-Kännchen von nun an jeden Tag zu benutzen.
Julie hat es auch einmal verwendet – als Eierbecher für Lucas’ weichgekochtes Ei. Sie wusste nicht, was es war. Ich war entsetzt. Sie zuckte mit den Schultern. Womit wir gleich beim nächsten Thema wären.
KAPITEL 5
Das Immunsystem
Im Kampf gegen die Keime
Aufgrund meiner Erkältung habe ich beschlossen, diesen Monat den Keimen zu widmen. Ein Thema, das mich brennend interessiert.
Seit Jahren bin ich ein ausgesprochener Bazillenhorror-Fan. Vielleicht kennen Sie sich in dem Genre ein bisschen aus. Genau, ich meine diese Reportagen, die Sie warnend darauf hinweisen, dass sich auf der Fernbedienung für Ihren Fernseher mehr Keime tummeln als unter Ihrer Klobrille. Dass Ihr Badeschwamm jederzeit eine Epidemie auslösen könnte. Und dass Sie Ihre Geldbörse eigentlich nur nach dem Anlegen eines ABC -Anzugs öffnen dürften.
In solchen Reportagen gibt es unweigerlich eine Szene, in der Schwarzlicht auf ungewaschene Hände scheint und Jackson-Pollock-mäßige, purpurn leuchtende Keimkleckse offenbart.
Ich liebe die schillernden Vergleiche, die in solchen Beiträgen angestellt werden, um unvorstellbar hohe Keimzahlen zu vermitteln. In Ihrem Darm gibt es mehr Bakterien, als jemals Menschen auf der Erde gelebt haben. (Stimmt.) Wenn man die Keime auf Ihrer Hand in Wassertropfen verwandelte, könnte man damit ein Schwimmbecken in Olympiagröße füllen. (Stimmt auch.) Und wenn die Keime auf Ihrer Türklinke Buchstaben wären, ergäben sie einen Text, der länger ist als die gesammelten Werke der für ihre literarische Schaffenskraft berüchtigten Schriftstellerin Joyce Carol Oates, und zwar inklusive ihrer frühen Prosa und ihrer Essays über das Boxen. (Stimmt wahrscheinlich ebenfalls.)
Auch auf Mikroaufnahmen besonders bedrohlich aussehender Schimmelpilze, Tetanusbakterien und dergleichen fahre ich voll ab. Seht mal, die Flagellaten da, wie gruselig die wimmeln!
Das Bazillenhorror-Genre hat wahrscheinlich einen ziemlich schlechten Einfluss auf mich, bereitet mir aber masochistischen Genuss: Ich leide nämlich unter einer Keimphobie, und zwar schon viel länger als Privatdetektiv Adrian Monk, der diese Neurose bekanntlich erstmals fernsehtauglich machte. Hier nur zwei Beispiele für mein
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