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Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)

Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)

Titel: Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Jacobs
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Zwangsverhalten: Der Begrüßung per Handschlag ziehe ich, wenn irgend möglich, eine Begrüßung per Kopfnicken vor. Bei Tischreden und Trinksprüchen versuche ich, das obligatorische Anstoßen zu vermeiden, es sei denn, ich kann es mit dem Boden meines Glases tun, wo sich weniger Keime tummeln. Julie regt sich immer auf, wenn ich mir Bazillenreportagen anschaue. Mit ihrer Einstellung zum Thema befindet sie sich am anderen Ende des Meinungsspektrums. Unsere Gesellschaft ist zu hygienebesessen, sagt sie immer, und dass wir deshalb noch alle zu immunologischen Weicheiern werden. Ihr könnt ruhig im Sandkasten spielen, sagt sie unseren Jungs, hört nicht auf Papa, wenn er von Fäkalspuren redet. Klar dürft ihr den Trinkbrunnen benutzen. Vor ein paar Monaten hat sie Zane bei dieser überteuerten Eisdiele bei uns im Viertel eine Kugel Eis gekauft. Als ihm die Kugel aus der Waffel rutschte, bekam er erstaunlicherweise keinen Wutanfall – sondern er ließ sich auf alle viere nieder und leckte sein Eis wie ein Golden Retriever vom Pflaster. Eine Frau, die in dem Moment vorbeikam, rief unwillkürlich: »Um Himmels willen!« Aber Julie? Hatte überhaupt kein Problem damit. New York – nichts anderes als ein einziger großer Essteller.
    Kein Wunder, dass meine Frau von dem Termin, den ich neulich vereinbart habe, alles andere als begeistert ist. Ich treffe mich nämlich mit dem John Carpenter des Bazillenfetisch-Genres: Dr. Philip Tierno, Leiter der Abteilung für klinische Mikrobiologie und Immunologie des New York University Langone Medical Centers und auch bekannt unter dem Namen »Dr. Keim«. Tierno ist dem amerikanischen Publikum aufgrund seiner Auftritte in der Frühstücksfernsehsendung Today ein Begriff. In seinem Sendebeitrag über Kopfkissen waren Millionen Milben zu sehen, wie sie genüsslich abgestorbene Hautschüppchen verspeisten. Eine ganze Woche lang konnte ich deswegen nicht schlafen. Dr. Tierno ist für mich die Koryphäe schlechthin.
    »Der wird deine Bazillenmacke höchstens noch verschlimmern«, sagt Julie. Da könnte sie recht haben.
    Doch da ich nun mal der gesündeste Mensch auf Erden werden will, muss ich erforschen, wie Bazillen sich bezwingen lassen. Als ich in Dr. Tiernos Labor in Midtown Manhattan eintreffe, sitzt er gerade am Mikroskop und betrachtet ein paar toxische Keime. Er hat eine Glatze, einen gepflegten weißen Bart und trägt eine runde Nickelbrille. Er streckt die Hand aus, um mich zu begrüßen.
    Moment mal! Dr. Keim will mir die Hand schütteln? Also das verstehe ich überhaupt nicht. Unwillkürlich strecke ich ihm für einen herzlichen Knuff den Ellenbogen entgegen.
    »Sieh an, hier weiß jemand, was er tut«, sagt Tierno. Ich strahle. Wir gehen in sein Büro, das vollgestopft ist mit einem Mikroskop, elf verschiedenen Reinigungsmitteln und 2000 Fachbüchern, die überall turmhoch gestapelt sind. Im Hintergrund ist Bach zu hören.
    Zunächst weist Dr. Tierno mich darauf hin, dass Keime generell ein Imageproblem haben. Die meisten Bakterien sind nämlich harmlos. Genau genommen bestehen wir sogar zu 90 Prozent aus Mikroben und nur zu zehn Prozent aus menschlichen Körperzellen, die unsere eigene DNA enthalten. Die Keime sind einfach überall: im Darm, im Mund, in den Augenbrauen.
    Wir stammen von solchen Mikroorganismen ab. Das älteste bekannte Lebewesen der Erde ist ein fossiles Bakterium, das in Australien gefunden wurde und 3,5 Milliarden Jahre alt ist.
    »Es gibt 156 000 unterschiedliche Bakterienkategorien, und nur ein kleiner Teil davon ist krankheitserregend. So um die 2000.«
    Aber diese 2000 – die sollen bitte schön möglichst weit weg von mir vor sich hin wimmeln. Immerhin sind Infektionskrankheiten nach Herzkranzgefäß-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache weltweit. In dem Zusammenhang kurz ein Blick auf zwei verstörende Statistiken: Jahr für Jahr sterben in den USA 100 000 Menschen an Infektionen, die sie sich im Krankenhaus zugezogen haben (sogenannte nosokomiale Infektionen). Und den amerikanischen Gesundheitsbehörden zufolge erkranken in den USA jährlich unglaubliche 76 Millionen Menschen an keimverseuchten Nahrungsmitteln.
    Dr. Tierno fühlte sich erstmals zum Keimflüsterer berufen, als er in der achten Klasse eine Biografie von Louis Pasteur las. Also erwähne ich, dass ich ein großer Fan von Joseph Lister bin, dem britischen Mediziner und »Vater der antiseptischen Chirurgie«.
    »Semmelweis war ein noch größerer Held«, sagt Tierno über den

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