Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)

ungarischen Arzt Ignaz Semmelweis. »Er wusch sich nach Entbindungen und Untersuchungen Schwangerer grundsätzlich die Hände; die meisten seiner Kollegen hingegen wischten sich die Hände lediglich am Kittel ab. So übertrugen sie Infektionen von einer Frau auf die nächste – oft mit tödlichen Folgen.«
    Händewaschen ist eine von Dr. Tiernos großen Leidenschaften. Seiner Ansicht nach ist in diesem Bereich in den USA eine breit angelegte Gesundheitskampagne dringend erforderlich, etwas Ähnliches wie der PR -Krieg gegen die Tabaksucht. »Händewaschen ist die beste Vorsorgemaßnahme, die Sie selbst zum Schutz Ihrer Gesundheit treffen können«, sagt er. »80 Prozent aller Infektionen werden durch direkten oder indirekten Kontakt übertragen.«
    Entscheidend ist allerdings, sich die Hände gründlich zu waschen. Was kaum jemand tut. In dem Bereich sind die meisten Menschen nicht besser als die französischen Adeligen am Hofe Ludwigs XIV . Damals, so Tierno, rieten die Ärzte dringend dazu, sich lediglich die Fingerspitzen zu waschen. Sie befürchteten, das Waschwasser könne Krankheiten übertragen.
    Dr. Tierno – der nach eigenen Angaben in den letzten vier Jahren kein einziges Mal erkältet war – führt mich durch das Foyer zur Herrentoilette, um mir vorzuführen, wie korrektes Händewaschen auszusehen hat. Er lässt Wasser über seine Hände laufen, bedient sich am Seifenspender – und seift sich erst mal gute 30 Sekunden ein, bevor er die Hände wieder unter den Wasserhahn hält.
    »Um die Handgelenke herum. Zwischen den Fingern. Unter jeden Fingernagel.«
    Er reibt und wischt die Handflächen gegeneinander. Mit dem Daumen fährt er unter seine Fingernägel und walkt die Handgelenke. Es ist ein Auftritt von großer Virtuosität – vergleichbar dem Cellospiel von Yo-Yo Ma. Oder den Tiraden von Al Pacino. Mit der Fünf-Sekunden-Katzenwäsche, die der Durchschnittsmensch gemeinhin veranstaltet, hat diese Nummer nichts zu tun.
    »Happy Birthday, dear Philip«, singt er, »happy birthday to you.« Dann erst ist es vollbracht. (Für alle Uneingeweihten: Man soll beim Händewaschen grundsätzlich Happy Birthday singen, und zwar von Anfang bis Ende. Um sicherzugehen, dass man auch lange genug wäscht.)
    Zurück in seinem Büro löchere ich ihn mit den typischen Fragen, die jeden ausgewiesenen Mikrobenphobiker umtreiben:
    Sind Handdesinfektionsmittel wirklich wirksam?
    Ja. »Allerdings nur, wenn Sie sie ausreichend dosieren. Ein ordentlicher Spritzer muss es schon sein.« Genau wie die US -Gesundheitsbehörden empfiehlt Tierno Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis, wenn Händewaschen nicht möglich ist.
    »Ich finde diese Mittel auch sehr praktisch, aber meine Frau hasst den Geruch«, erzähle ich ihm.
    Dr. Tierno schnuppert an seinen Händen. »Was gibt’s da zu hassen? Sagen Sie ihr, dass Wodka genauso riecht.«
    Nebenbei bemerkt, habe ich mich übrigens ein ganzes Weilchen auf der Website von Purell umgeschaut, dem größten Handdesinfektionsmittelhersteller der USA . Dort ist unter anderem eine Top-99-Liste der Orte zu finden, an denen sich Keime bevorzugt tummeln (Bordzeitschriften in Flugzeugen, Kinokarten, Tastenfelder an Zapfsäulen, Klimaanlagenregler in Hotelzimmern und so weiter und so weiter). Die Liste ist zu gleichen Teilen urkomisch und furchterregend. Das Einzige, was nicht auf ihr vermerkt ist, sind Purell-Dosierspender. Die bekanntlich von Keimen nur so wimmeln. Ein echtes Dilemma für jeden, der auf seine Gesundheit achtet.
    Wird der Dauereinsatz von Purell und antibakteriellen Seifen nicht irgendwann zur Entstehung hochresistenter Superbakterien führen?
    »Nein. Keime werden nicht gegen Alkohol oder antibakterielle Seifen resistent. Sie können allerdings resistent gegen Antibiotika werden.« Dr. Tierno rät dringend davon ab, jede Erkältung gleich mit Antibiotika zu behandeln. Gleichzeitig können zumindest seiner Meinung nach weder Purell noch antibakterielle Seifen zur Entstehung von Superbakterien führen.
    Sollte man grundsätzlich antibakterielle Seife verwenden?
    »Im Normalfall ist antibakterielle Seife nicht nötig. Normale Seife und warmes Wasser reichen völlig.« Jedenfalls sofern man nicht gerade Essen, insbesondere Fleisch, zubereitet. Tierno ist übrigens der Ansicht, Triclosan – eine Chemikalie, deren Einsatz in antibakteriellen Seifen umstritten ist – sei gesundheitlich unbedenklich.
    Ist es sinnvoll, generell einen Mundschutz zu tragen?
    Tierno macht das nur im