Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Flugzeug. »Auf einem Flug nach Frankreich saß mal direkt hinter mir eine Frau, die pausenlos hustete. Sie war offenbar ziemlich krank – also habe ich die Stewardess gebeten, mich umsetzen zu dürfen. Sie sagte: ›Tut mir leid, aber das geht nicht. Es ist kein einziger Platz mehr frei.‹ Einen Mundschutz hatte ich auch nicht dabei. Drei Tage später war ich erkältet.« Das wird ihm nicht noch mal passieren.
Zum Abschied schenke ich ihm ein Exemplar meines Bibel-Buchs. Er bedankt sich, gesteht aber sogleich, dass er es vor Beginn der Lektüre gründlich abwischen wird.
Als ich sein Büro verlasse, bin ich gleichzeitig beschwingt und verstört. Julie hatte recht. Unterm Strich wird nach diesem Gespräch meine Keimphobie wahrscheinlich nur noch schlimmer werden.
Die Hygienehypothese
Aus Proporzgründen habe ich beschlossen, mich unvoreingenommen auch mit Julies Einstellung zur Keimfrage zu befassen. Immerhin teilen viele Wissenschaftler ihre Meinung.
Sie haben die entsprechende Theorie auf den Namen »Hygienehypothese« getauft. Diese basiert auf der Annahme, dass Kinder in Industrienationen zu selten mit Keimen in Kontakt kommen – was wiederum die Entwicklung des Immunsystems beeinträchtigt. Die Immunzellen können gar nicht erst lernen, böse Eindringlinge zu erkennen und zu erledigen. Fazit: Ausgerechnet unsere mustergültig desinfizierte Welt könnte für den dramatischen Anstieg von Allergien und Asthma verantwortlich sein.
Ich rufe Mary Ruebush an, Immunologin und Autorin des Buches Why Dirt Is Good: 5 Ways to Make Germs Your Friends . Eine 208-seitige Streitschrift für die Hygienehypothese.
»Das Pendel schwingt wieder zurück«, erklärt sie mir. »In den ersten paar Jahrtausenden der menschlichen Evolution hat niemand auch nur einen Gedanken an Sauberkeit verschwendet. Später haben wir dann gemerkt, dass es einen Zusammenhang zwischen Sauberkeit und Gesundheit gibt, und sind total über das Ziel hinausgeschossen.«
Genau wie Dr. Tierno sagt sie von sich selbst, sie sei kerngesund. »Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal erkältet war oder Kopfschmerzen hatte. Und das, obwohl ich mich an keinerlei Hygieneregel halte.«
Daraufhin kann ich mir gerade noch die spontane Erwiderung verkneifen, dass ich froh sei, nur telefonisch mit ihr in Kontakt zu sein.
»Ich wasche mir die Hände grundsätzlich nur, wenn sie dreckig aussehen oder schlecht riechen«, sagt Mary.
Und genau wie Tierno gibt sie eine Schreckgeschichte zum Besten, die sie einmal im Flugzeug erlebte.
»Ich saß neben einem achtjährigen Jungen, der ohne Begleitung reiste. Bevor er sich auf seinen Platz setzte, wischte er den Sitz, die Armlehne und das Klapptablett ab. Ich war völlig entsetzt.«
Ich erzähle ihr, dass mein Sohn sein Eis vom Bürgersteig geleckt hat. »Gut«, sagt sie, »er wird sein Leben lang kerngesund sein.«
Nach unserem Telefonat erzähle ich Julie von Mary Ruebushs Ansichten.
»Was für eine kluge Frau«, sagt Julie.
Am selben Abend fällt Julie aus Versehen eine Gurkenscheibe zu Boden. Sie bückt sich, hebt sie auf und legt sie auf Zanes Teller.
»Hygienehypothese!«, sagt sie fröhlich. Ihr neues Lieblingswort.
Ich nehme mir vor, eine Woche lang Dr. Tiernos Keimbekämpfungs-Strategie anzuwenden. Julie verspreche ich, sie und die Kinder davon zu verschonen.
In seinem Buch The Secret Life of Germs listet Tierno diverse Ratschläge für ein möglichst keimarmes Leben auf. Diese Liste habe ich in meinen Computer übertragen, und an einem Mittwochmorgen mache ich mich daran, sie in die Tat umzusetzen. Hier einige Beispiele:
Einmal wöchentlich Telefone und Fernbedienungen abwischen. (Lassen die Keime darauf sich wirklich mit einem feuchten Stück Küchenrolle entfernen? Ich wünschte, ich könnte mein elektronisches Gerät auskochen.)
Frisches Obst und Gemüse grundsätzlich zehn Minuten lang in einer Wasser-Essig-Wasserstoffperoxyd-Lösung einlegen. (»Wasserstoffperoxyd?«, fragt unsere Babysitterin, als ich einige Tropfen davon in eine Schüssel gebe, in der ein paar Äpfel schwimmen. »Und das soll gesund sein? Ich dachte immer, das Zeug wird zum Haarfärben benutzt.« So steht es geschrieben, sage ich ihr.)
Unterwäsche separat waschen, um die Kontaminierung anderer Wäschestücke mit Fäkalrückständen zu vermeiden.
Wäsche grundsätzlich an der frischen Luft trocknen, weil die UV -Strahlung im Sonnenlicht Keime abtötet. (Wäscheleinen sind in New York ein Ding der
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