Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
geht ins Bad. Ich warte.
»Das ist nicht witzig!«, ruft sie von drinnen. »Das ist überhaupt nicht witzig!«
Aber das sagt sie nur so. Im tiefsten Innern muss sie lachen. Dem Charme von Nature’s Platform kann sich kaum jemand entziehen.
Julie unterzieht die Plattform einem kleinen Testlauf und bezeichnet die Erfahrung als »interessant«.
»Normalerweise bekommen Frauen ja Blumen geschenkt«, sagt sie, als sie aus dem Bad kommt.
Inzwischen benutze ich Nature’s Platform schon ein paar Wochen. Zweifellos beschleunigt sie die ganze Angelegenheit enorm. Allerdings macht sie jeglichen Lektüreversuch zu einem gefährlichen akrobatischen Balanceakt. Bücher kommen überhaupt nicht mehr in Frage. Umso zufriedener dürfte Dr. Gottesman mit mir sein.
Und hier zu guter Letzt noch ein weiterer Gesundheitstipp: Sie sollten stets darauf achten, vor dem Spülen den Toilettendeckel zu schließen. Ansonsten wird nämlich eine Wolke keimverseuchter Abwassertröpfchen auf Ihre Badezimmerwände und Zahnbürsten herabregnen. – Gern geschehen.
Check-up: Monat 9
Gewicht: 71,7 kg
Pedometer-Stand in diesem Monat: 230 000 Schritte
Maximale Liegestützleistung: 58
Frühstücke mit gemahlenem Cayennepfeffer wegen Studie,
der zufolge scharf gewürzte Nahrung den Appetit mindert: 12
Allgemeinzustand: Das Projekt wird langsam anstrengend. Und zwar komischerweise nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Ständig denke ich darüber nach, was in dieser oder jener Situation wohl am gesündesten wäre. Doch häufig verliere ich im Nebel widersprüchlicher Empfehlungen vollkommen die Orientierung.
Nehmen wir beispielsweise mein Laufband. Nach ungefähr drei Stunden Betrieb beginnt es, nach verbranntem Gummi zu stinken. Mein Sohn Jasper hält sich die Nase zu, wenn er in meine Nähe kommt. Ist der Nutzen dieses Geräts womöglich geringer als der Schaden, der durch giftige Dämpfe entsteht?
Und wenn sich in meinem Tagesablauf eine unverplante Stunde ergibt, soll ich die im Fitness-Studio verbringen oder lieber mit der Familie? Alle Gesundheitsratgeber betonen die Bedeutung von Familie und Freunden für das körperliche Wohlergehen.
Ist die Anschaffung eines Teppichs sinnvoll, weil er lärmdämmend wirkt – oder hole ich mir damit einen Allergieauslöser erster Güte ins Haus?
Wenn ich im Restaurant Mineralwasser bestelle, soll ich dann darum bitten, dass es mit einer Zitronenscheibe serviert wird, weil Zitronensaft den Blutzucker langsamer ansteigen lässt? Oder soll ich einen Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter zwischen meinem Glas und jeglicher Zitrone verlangen, weil Bakteriologen immer sagen, dass die Zitronenscheiben in Restaurants von Mikroben nur so wimmeln?
Ich habe mir einen Dampfgarer zugelegt, weil es kaum etwas Gesünderes gibt als gedämpftes Gemüse. Doch mein Dampfgarer ist aus Plastik. Bisphenol A, sage ich nur. Das soll ja Gift für die Hormone sein. Bringe ich mit meinen gedämpften Broccoli jetzt etwa meinen Hormonhaushalt durcheinander?
Ich muss unbedingt entspannter an die Sache herangehen.
KAPITEL 10
Die Nebennieren
Unterwegs zur stressfreien Zone
Langsam dämmert mir, dass es nicht sehr gesund ist, ein Buch zum Thema Gesundheit zu schreiben. Genau genommen ist Bücherschreiben ganz allgemein ungesund.
Buchautoren verbringen einen Großteil ihres Tages sitzend (ein Problem, das ich allerdings durch meinen Laufbandschreibtisch mehr oder weniger in den Griff bekommen habe). Sie sind oft allein; Einsamkeit jedoch bildet den Nährboden für Depressionen, was wiederum erklärt, warum so unglaublich viele Schriftsteller ein unglückliches Ende nahmen (Hemingway, Woolf, Plath – ich könnte leicht den Rest der Seite mit Namen füllen).
Und dann ist da der Druck. Ich hinke meilenweit hinter meinem Zeitplan her. Mein Verleger erinnert mich ständig an meinen Abgabetermin, und ich erwidere darauf ständig, dass Abgabetermine aus gesundheitlicher Sicht völlig kontraproduktiv sind. Genau wie Buchpremieren. Falls und wenn mein Buch jemals im Rahmen einer Veranstaltung öffentlich vorgestellt werden sollte, und ich habe gerade zu der Zeit eine schwere Grippe oder eine Augenentzündung – was dann? Diese Vorstellung erfüllt mich mit großer Sorge. »Da, das ist der gesündeste Mensch auf Erden«, werden dann alle sagen, »der Typ in der Ecke, der mit dem schlimmen Husten.«
Um diese Sorgen in den Griff zu bekommen, widme ich diesen Monat der Stressbekämpfung. Vor dem Beginn meines Projekts war ich
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