Saugfest
einweisen?«
»Immer mit der Ruhe, erst mal musst du dich akklimatisieren«, werde ich von Hagen belehrt, und alle nicken.
»Du darfst noch einmal nach Hause fahren und das holen, was du unbedingt brauchst«, sagt Hubertus ernst.
Das finde ich gut. Ich darf also noch meinen Kulturbeutel packen und eine Zahnbürste mit in mein neues Leben nehmen.
»Sag niemandem, dass du hier warst, niemandem, dass du wiederkommen wirst, und niemandem, wo wir sind«, befiehlt mir ein kauziges Männlein mit krächziger Stimme, das mir vorher noch gar nicht aufgefallen ist.
»Und warum nicht?«
»Keine Fragen, bitte.« Hubertus.
Ich stehe auf. »Vielleicht überleg ich mir’s ja während der Fahrt noch anders«, ich schnappe meinen Korb.
»Das wird nicht mehr möglich sein.« Hubertus.
Und plötzlich ist auch der Fahrstuhl wieder da. Wie von Zauberhand. Es ist wirklich seltsam. Oder ist es normal?
Hubertus steigt mit mir ein, und der alte Aufzug setzt sich ächzend in Bewegung.
Während der Fahrstuhl knatternd zum Stehen kommt und sich Hagen und Anselm unter uns streiten, wer für die Entsorgung der Modems zuständig ist, beschließe ich, cool zu bleiben, weil ich nicht will, dass Hubertus es sich anders überlegt und mich doch gleich dabehalten will.
Will er aber gar nicht. Er hält mir höflich die Tür auf, wünscht mir eine gute Fahrt, betont noch mal, dass ich bald zurückkommen soll, weil das so abgemacht war, und knarzt dann mit dem Fahrstuhl wieder nach unten.
Natürlich
könnte
ich jetzt wegfahren und nie wieder zurückkommen, aber aus welchen Gründen auch immer will ich das gar nicht und denke auch nicht weiter darüber nach.
Na ja, nur ganz kurz. Vielleicht will Hubertus mich ja bloß testen.
Also hocke ich mich in mein Taxi, das brav auf mich gewartet hat, und fahre in Richtung Heimat zurück. Es ist mitten in der Nacht, es ist dunkel, und es regnet immer noch. Und irgendwie vermisse ich den Heuler.
Gemach, gemach, um es mal so auszudrücken, wie Hagen und Anselm das tun würden. Erst mal hab ich noch etwas zu erledigen.
Mein Laptop steht noch aufgeklappt im Wohnzimmer, was mich maßlos aufregt, weil es dann einstaubt und schneller den Geist aufgeben kann. Annkathrin hat letztens noch davorgehockt, für ihre blöde Hochzeit recherchiert und mich dabei eine Million mal gefragt, wie man die Maus an eine bestimmte Stelle bekommt, und sie hat vor Angst aufgeschrien, weil sie glaubt, wenn man eine Seite schließt, ist sie für immer weg.
Herrje, bei allem, was Computer und Internet angeht, muss ich ihr helfen. Sie und ihr Bernie sind komplett internet- und überhaupt PC -blond.
Bernie nämlich ist
nicht
die Art Mann, zu der man sagt: »Hey, Bernie, du, kannst du heute Abend mal vorbeikommen? Mein Browser funktioniert nicht mehr, irgendwas stimmt da nicht«, und der antwortet: »Kein Thema, gegen sechs bin ich da. Schick mir doch mal von ’nem externen Anschluss vorher das Hijack-This-Log und jag auf alle Fälle vorsorglich Spybot und Norton AntiVirus über deinen Rechner. Kopf hoch, mein Freund, Bernie kriegt das hin. Du kannst dich auf mich verlassen. Dauert keine zehn Minuten!« Nein, Bernie ist anders. Bernie hat mal versucht, sich eine E-Mail-Adresse einzurichten, mehr sage ich dazu nicht, nur so viel: Es hat nicht funktioniert, weil er noch nicht einmal weiß, wie man eine Tastatur korrekt bedient. Das Einzige, was Bernie computertechnisch beherrscht, ist das Turnierspielen von
Tetris
auf seinem alten Gameboy, für den es schon lange keine Ersatzteile mehr gibt.
Und Annkathrin ist nicht besser. Sie hat zwar eine E-Mail-Adresse, aber wenn sie eine Datei anhängen will, ist der Ofen aus. Die beiden sind für Internetbetrüger ein leichtes Spiel, ungefähr so leicht wie blinde und taube Rentner auf Kaffeefahrten, die abends mit einer seit 1971 abgelaufenen, aber vakuumverpackten halben Eselssalami und einem Satz gesprungener Schmuckkacheln im Fliegenpilzdesign nach Hause kommen und dafür neunhundert Euro bezahlt haben, was ein Schnäppchen war.
Eine Minute später habe ich meinen Computer hochgefahren. Annkathrin hat es geschafft, auf dem Desktop alle möglichen Dokumente, die mit der Hochzeit zu tun haben, abzuspeichern. Ich öffne eins und bleibe an einer Liste hängen, die ein Deko-Unternehmen geschickt hat, um mich darüber zu wundern, dass allein für das Leihen von malvenfarbenen Stoffservietten sechs Euro fünfzig pro Stück verlangt und die Reinigung noch mal extra berechnet wird – und
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