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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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er von mir angeblafft.
    »In diesem Fall nicht«, werde ich belehrt. Seine Stimme ist nun noch dunkler. Ich werde nervös, und dann werde ich noch nervöser, weil ich nervös werde. »Hier ist es so, dass du tatsächlich alles vergessen wirst, wenn du uns wieder verlässt. Willst du das? Willst du gehen und uns nie gesehen haben?«
    Nun bringt er mich in eine Zwickmühle. Ich hätte ihn nämlich gern näher kennengelernt. Andererseits glaube ich den Humbug nicht, den er mir da erzählt. Sicher will er mich nur subtil verunsichern und das so lange, bis ich nicht mehr weiß, wie ich heiße. Bis ich mich sabbernd und ohne Orientierung um mich selbst drehe und irgendwann so aussehe wie die Weißhemden.
    Er kommt näher. »Überleg dir gut, was du tust.«
    »Ich überlege mir immer gut, was ich tue«, informiere ich ihn, der nach einer wohlriechenden Pflanze duftet, deren Namen ich leider vergessen habe.
    »Wenn sie eine Updmenaem ist, dann ist es vielleicht wirklich besser, wenn sie geht. Sie ist möglicherweise aus Versehen zu uns geschickt worden.« Hagen.
    »Sei still«, wird er von Zedernholz zurechtgewiesen. »Das werden wir später klären. Jetzt möchte ich erst wissen, ob sie bleiben will. Ich glaube nämlich, sie wäre eine Bereicherung für uns.«
    »Kann sie kochen?«, fragt die alte Frau, die mir den Schinken angeboten hat.
    »Was ist eine Bereicherung?«, will William großäugig wissen, aber niemand antwortet ihm.
    »Hab ich einen Hunger«, sagt einer der Männer, ein etwas größerer, der keinen Buckel hat und relativ gepflegt wirkt, was hier etwas Besonderes zu sein scheint, und bei dem es sich um Anselm handeln muss – das denke ich deswegen, weil er neben Hagen steht und die beiden so aussehen, als würden sie viel Zeit miteinander verbringen. Er schnappt sich einen der Weißhemden und rammt ihm seine Vorderzähne in den Hals.
    Schockiert schweige ich und traue mich auch nicht zu sagen: »Ups, da wird gerade jemand in den Hals gebissen.« Möglicherweise muss ich erst die Gepflogenheiten dieser merkwürdigen Truppe kennenlernen, und wenn ich sie kenne, empfinde ich eventuell alles als ganz normal. Idiotisch versuche ich, ein Gesicht zu machen, als sei alles in bester Ordnung. Als sei alles richtig, so wie es ist. Vielleicht ist es eine Art Selbstschutz, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass später Köpfe rollen werden. Wer auch immer hierfür verantwortlich ist, wird leiden. Ich werde mir tagelang Zeit lassen, bewaffnet mit einem stumpfen Messer oder einer Papierschere. So nicht. Zwischendurch werde ich lange Pausen einlegen und einen Baumkuchen backen, das dauert nämlich Ewigkeiten. Nicht, dass ich in meinem Leben jemals einen gebacken hätte, aber ich habe das in einer Dokumentation auf Phoenix gesehen. Eine verhutzelte
Konditorin aus Heidelberg hat lang und breit erklärt, dass dieser verflixte Kuchen in Schichten zubereitet wird, bei ihr dauert’s noch mal so lang, wegen der Arthrose in den Händen. Die wiederum hat sie bekommen, weil es in der Backstube immer zugig und nasskalt ist, mit den Jahren macht sich das bemerkbar, aber sie, die verhutzelte Konditorin, lässt es sich niemals nehmen, den guten Baumkuchen immer wieder aufs Neue zu backen, und, das sagte sie auch noch, sie sei sicher, dass sie irgendwann in der Backstube sterben wird. Sechzig Jahre lang hat sie Baumkuchen gemacht, sechzig Jahre lang. Und ein jeder ist ihr gelungen, trotz Arthrose. Und die Kundschaft, die dankt es ihr, aber wie. Das mit dem Baumkuchen ist eine gute Sache, wie ich finde. Mehrstöckig heißt das Zauberwort; es wird Jahre dauern, und mein Opfer wird sich zwischenzeitlich fragen, warum es seinen Geburtsort jemals verlassen und mich getroffen hat. In was weiß ich wo hätte es mich nämlich ganz sicher nicht getroffen. Tja, Schicksal.
    Während Zedernholz noch ein Stück näher an mich rankommt und ich noch unsicherer werde, wischt sich Anselm den blutverschmierten Mund ab und macht: »Aaah, das war gut!«
    Der mit der Zedernholzstimme berührt meine Hand, die genauso kalt ist wie seine, und ich verspüre ein mir unbekanntes Kribbeln.
    »Mein Name ist übrigens Hubertus«, sagt er zu mir. »Ich finde es schön, dass du da bist.«
    »Ich bin für jemanden eingesprungen«, antworte ich lahm.
    Er sagt weise: »Vielleicht sollte das so sein. Man nennt es Schicksal.«
    »Eigentlich wäre ich jetzt auf einer Hochzeit«, rede ich weiter. »In Hofgeismar. Auf der Sababurg.«
    »Ein schönes Fleckchen Erde«, kommt es

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