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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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Scheibenwischer bei Platzregen herumgefahren ist und eine Autobahnauffahrt gesucht hat – ich gönne es niemandem. Ja, ich bin sogar so weit zu sagen: Ich gönne es meinen schlimmsten Feinden nicht, wobei ich mich gleich schon wieder korrigieren muss, denn einer meiner schlimmsten Feinde hockt ja hinter mir und klagt über sein angeblich gebrochenes Bein, das jetzt kein gebrochenes Bein mehr ist, sondern ein mehrfach gebrochenes; auch eine Amputation wird mit Ali erörtert und wie man dabei am besten vorgeht.
    Ali sagt: »Wenn wir doch bloß Maden hätten. Die könnten wir jetzt in die offene Wunde legen, und die würden dann eine Entzündung verhindern, weil sie das abgestorbene und verfaulte Gewebe einfach so fressen würden. Maden sind nützlich. Man benutzt sie auch als Köder für die Bachforelle. Natürlich nicht nur. Man kann auch Würmer aller Art, Nassfliegen, kleinste Spinner und Blinker, Streamer und Bucktails verwenden. Die Bachforelle springt auf alles an, wenn man Glück hat.«
    Goske sagt: »Au, au. Wir sollten Maden besorgen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis ich tot bin.«
    »O bitte«, freut sich Ali. »Lasst uns ein Fachgeschäft für Angelsportbedarf suchen und in aller Ruhe die passenden Maden aussuchen.«
    Ich versuche mühsam, mich zu beherrschen und nicht zusätzlich
noch einen Unfall zu bauen, weil ich nämlich so gut wie gar nichts sehen kann. Und eines weiß ich ganz sicher: Niemals in diesem verdammten Leben werde ich a) eine Forelle angeln, b) eine Forelle essen und c) mir weiterhin diesen Schwachsinn über Forellen anhören. Ich will es nicht. Ich WILL es NICHT .
    »Sei endlich still, Ali! Ich muss mich konzentrieren.«
    »Aber man soll doch mit Verletzten sprechen, damit sie sich beruhigen«, erklärt mir Ali sein Handeln.
    »Das ist eine schöne gelbe Tischdecke«, sagt Goske matt.
    »Oh, danke sehr. Dass Sie gleich erkannt haben, dass es sich um eine Tischdecke handelt, spricht für Sie. O Helene, Helene, stopp mal, halt mal an, dort an der Ecke befindet sich eine professionell aussehende Dependance für Angelsportbedarf.«
    Mich macht
alles
aggressiv. Auch die Tatsache, dass Ali nicht einfach sagen kann: »Da vorn ist ein Angelgeschäft.« Warum drückt er sich so wahnsinnig korrekt aus? Das ist ja nicht zum Aushalten!
    Warum auch immer halte ich vor dem Geschäft an. Vielleicht will ich ja auch nur ein paar Minuten von Ali pausieren.
    »Kommst du mit, Helene, du, das wird sooo aufregend.«
    »Ich kann nicht, ich stehe im Halteverbot.« Sonst interessiert mich so etwas selbstverständlich nicht, aber gerade passt es mir ganz gut in den Kram.
    »Das ist doch ein ganz hochoffizieller Parkplatz. Noch nicht mal ein Parkschein wird verlangt. Du musst lediglich die Parkscheibe korrekt einstellen und hinter die Windschutzscheibe klemmen. Damit hat alles seine Richtigkeit. Ich bin immer so unschlüssig beim Aussuchen und kann mich nicht entscheiden. Da ist es mir lieber, wenn ich jemanden bei mir habe, der mir mit Rat und Tat zur Seite steht.«
    Korrekt einstellen. Hochoffizieller Parkplatz. Mit Rat und Tat zur Seite stehen. Gleich reiße ich ihm die Tischdecke vom Leib und erdrossle ihn damit.
    Nach einem gefühlten Quartal stehen wir endlich wieder auf der Straße. Ali hat sich selbstverständlich ausführlich beraten lassen und ist jetzt stolzer Besitzer von zwei Töpfen, in denen sich je hundert braune und weiße Maden befinden. Er hat gesagt: »Ich kann mich doch so schwer entscheiden. Ich mag sie ja alle«, und der Verkäufer lächelte und antwortete geschäftstüchtig: »Dann nehmen Sie doch beide. Damit machen Sie nichts falsch«, und Ali hat gesagt: »Wissen Sie was, ich nehme beide.« Und weil Ali schon mal da war, hat er sich auch gleich noch eine Neopren-Wathose zugelegt (der Verkäufer sagte: »Noch nie hat eine Wathose einem Kunden derart gut gestanden, und ich arbeite schon sehr lange hier!«), einen zweiflammigen Spirituskocher, weil ihm doch immer so kalt ist und auch die gelbe Decke nicht hilft (der Verkäufer sagte: »Noch nie, ich wiederhole, noch nie, haben ein Spirituskocher und ein Endverbraucher so derart gut harmoniert, und ich arbeite schon lange hier!«), er hat Markierungsbojen gekauft (der Verkäufer sagte: »Hut ab, dass Sie sogar daran denken, Sie scheinen mir ein Vollprofi zu sein, und das sind nicht viele Kunden, ich weiß das, denn ich … «) und Raubfisch-Lockstoffe, weil man die ja immer mal gebrauchen kann (der Verkäufer sagte: »Mit Raubfischen

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