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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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kenne ich mich nicht aus, Sie aber offenbar schon. Hochachtung!«). Und weil Ali so ein guter Kunde war, hat der Verkäufer ihm noch etwas geschenkt, das »Berkley TEC Lockjaw Mouth Spreader« heißt und sich als eine Rachensperre entpuppt. Er behauptete, damit sei Ali auf der sicheren Seite, weil die Griffbereiche allesamt mit einer Oberfläche aus Softorx beschichtet seien, um ein sicheres, rutschfestes und unfallfreies Handling zu gewährleisten. Das ansprechende Design, die hochwertigen Materialien und die durchdachte Technik haben laut dem Verkäufer und der Produktbeschreibung schon in den USA für viel Furore gesorgt. Der Verkäufer meinte, nun könne gar nichts mehr passieren. Wenn ich Ali die Rachensperre abgenommen und in seinen Mund gestopft hätte, hätte er wahrscheinlich recht behalten. Ali jedenfalls hat sich sehr gefreut; ich möchte gar nicht den Preis für diesen
ganzen Kram wissen. Aber Ali hat dem Verkäufer strahlend seine EC -Karte zugeschoben und war glücklich. Der Verkäufer auch.
    Als wir zum Auto zurückkommen, sitzt Goske noch genauso da wie vorher, angeblich, so versichert er uns, habe er unheimlich starke Schmerzen wegen des offenen Bruchs.
    »Ich setze mich hinten zu ihm, Satan kann bei dir bleiben«, beschließt Ali. »Ich werde ihm gleich die Maden ans Bein setzen, damit sie sich am abgestorbenen Gewebe laben, dann gehen die Schmerzen bestimmt bald weg.«
    »Mach das«, sage ich. Wenn er nur fünfzig Zentimeter weiter von mir weg ist, reicht mir das für den Moment schon, es ist immerhin besser als nichts.
    »Ich helfe Ihnen beim Hoseausziehen.« Ali macht sich an Goskes Jeans zu schaffen, und der stöhnt die ganze Zeit nur herum wie der letzte Jammerlappen. Ich überlege kurz, mich jetzt zu outen, um eine Schockreaktion bei ihm hervorzurufen, vielleicht bekommt er dann Angst, beschließe dann aber, es nicht zu tun. So, wie ich Ali kenne, verhilft er Goske zu einer dramatischen Flucht, der Heuler ist durch das ganze Gewusel psychisch am Ende und mein Auto noch kaputter als vorher. Ich werde auch nachher die Beifahrertür noch genau überprüfen. Sie schließt zwar richtig, aber sicher ist sicher.
    »Das sieht ja gar nicht gut aus. Wir sollten doch in eine Klinik fahren«, lässt Ali mich besorgt wissen. »Schau dir das doch mal an.«
    »Nö. Dafür haben wir jetzt keine Zeit.«
    Hinter mir beginnt ein kleines Handgemenge, wie ich durch den Rückspiegel halbwegs sehen kann; offenbar will Goske die Hose komplett ausziehen, was ihm aber wegen der Enge im Fond und wegen Alis ununterbrochenem »Lassen Sie mich das machen« misslingt. Der Heuler, den ich wieder angeschnallt habe, ist mit seiner Situation unzufrieden; als ob es nicht genug wäre, dass er meine Nackenstütze gefressen hat, jetzt ist wieder der Sicherheitsgurt dran.
    Und dann fängt Goske an zu schreien. Er brüllt so laut und panisch, dass ich vor Schreck das Lenkrad herumreiße und beinahe einen Lastwagen ramme mit der Planenaufschrift: »Bis man Äpfel per Mail verschicken kann, müssen wir uns die Straße leider noch teilen!« Was ich nicht ganz verstehe, weil ich gar keine Äpfel mag, aber vielleicht treffen Fahrer oder Spedition ja vorausschauende Maßnahmen. Entnervt schreie ich: »Was ist denn los?«
    »Der Herr verträgt die Maden nicht. Irgendwas ist schiefgegangen.« Ali ist außer sich.
    »O Gott!« Das ist Goske. »Wie krieg ich denn diese verdammten Dinger da wieder raus?«
    »Die müssen doch drinbleiben, damit sie das abgestorbene Gewebe fressen«, erkläre ich, ganz die Knochenchirurgin.
    »Genau, die wirken doch eigentlich gegen Wundkeime«, sagt Ali verzweifelt.
    Das interessiert Goske nicht: »Die Scheißmaden sind der letzte Dreck. Hol sie raus, hol sie raus!«
    Ali öffnet den Mund und will etwas sagen, und ich weiß, dass es eine Beschwerde darüber sein wird, von Goske plötzlich geduzt zu werden, aber Goske schneidet ihm das Wort ab, bevor Ali richtig Luft geholt hat. Er hält jetzt eine der Dosen hoch, in der die Maden aufbewahrt werden. »Um Gottes willen. Was hast du mit mir gemacht? Du hast mir verdammte Haken ins Fleisch gerammt! Bist du von allen guten Geistern verlassen? Das ist Körperverletzung!«
    »Seit wann haben Maden Haken?«, frage ich verwirrt.
    Ali studiert den Text, der auf der Dose steht, und wird rot. »Das hab ich nicht gewusst«, kommt es dann zerknirscht.
    »Was? Ali, nun rede doch!«
    »Das sind … keine echten Maden. Es tut mir so leid. Das sind künstliche Maden, die

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