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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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den Kopf.
    Mir dauert das schon wieder alles zu lange. Wenn er noch ein bisschen weitermacht, der Pförtner, kommt er auf die Liste. »Eine Neuinszenierung von
Vom Winde verweht
«, sagt er jetzt. »Der Regisseur wagt ein Experiment – für alte Leute. Die ganzen Darsteller sind Senioren. Er meint, dann wäre der Wiedererkennungswert höher, als wenn Jungschauspieler auf der Bühne stehen. Also sozusagen Theater für Pensionäre. Wir haben jede Menge Sponsoren für das Stück, so Hersteller von Gebrauchsgegenständen für Rentner. In der Szene, als Scarlett die Pastinake aus dem Boden reißt, also kurz bevor sie schreit: ›Ich will nie wieder hungern‹, da stützt sie sich auf einen Extragehstock für Tattergreise, einer, der in den Bewegungen mitschwingt. Da fällt mir gerade ein, beziehungsweise es fällt mir eben nicht ein … wer spielt denn die Scarlett? Ach je.« Der Mann wirkt mitgenommen und auch dement.
    Dieser Scarlett hätte ich beim Schauen von
Vom Winde verweht
dauernd eins auf den Hut schlagen können, weil sie zu blöde war, Rhett zu halten. Dann die ganzen Regiefehler, wenn ich nur an den Anfang des Films denke, da sitzt sie nämlich mit diesen Zwillingsbrüdern auf der Terrasse von Tara, also der Plantage, und da …
    »Wir haben aber noch keine einzige Karte verkauft, und heute Abend soll’s losgehen.« Jetzt kichert der Portier dümmlich. »Das wird ein Schock werden. Für alle.«
    Ich bin kurzzeitig abgelenkt, weil ich immer noch über
Vom Winde verweht
nachdenken muss. Über die Regiefehler und das blödsinnige
Vorhaben des Theaters, eine Altenvorstellung daraus zu machen. Das wird doch niemals funktionieren. Wer soll denn da die junge Prissy spielen, die eine grenzdebile Geburtshelferin verkörpert, die die ganze Zeit »Miss Scarlett, Miss Scarlett, ich kann auch Baby von Miss Melanie auf Welt holen!« schreit, während Melanie hinten im Zimmer liegt und in unregelmäßigen Abständen und mit brüchiger, schmerzgeschwängerter Stimme »Scaaalett« ruft.
    Das Telefon des Pförtners klingelt. Er lässt es läuten und zählt die Klingeltöne an seiner Hand ab.
    »Wollen Sie nicht drangehen?« Er irritiert mich.
    »Gleich, ich lasse es immer fünfmal läuten, damit man denkt, ich sei ein schwerbeschäftigter Mitarbeiter.« Er steht auf und rennt ein paar Mal auf und ab, dann endlich meldet er sich atemlos und gehetzt klingend. Es würde mich nicht wundern, wenn er gleich erzählt, dass er noch eben einen aufdringlichen Grizzly verjagen musste.
    Ich ärgere mich über diesen Mann. Er ist gestört und kann sich nicht erinnern. Aber die Plakate hab ich doch ganz sicher gesehen. Oder war das doch woanders?
    Der Pförtner diskutiert mit jemandem über kaputte Glühlampen, legt dann auf und schaut auf seine Armbanduhr. »Tja«, sagt er dann. »Ich muss gleich los, Glühlampen besorgen. Dabei machen meine Gelenke nicht mehr so richtig mit. Vielleicht können Sie mich fahren?«
    Ganz sicher nicht. »Nein«, sage ich. »Dann komme ich einfach später noch mal wieder.«
    »Aber das ist unterlassene Hilfeleistung«, ruft mir der Pförtner hinterher, während ich zur Tür stiefele. »Meine Beine tun doch so weh!«
    »Ist mir egal«, keife ich ihn an. Ich habe schon genug Zeit wegen Beinen verloren. Und es hat noch nicht mal was gebracht. Jetzt muss ich ohne Frau Pohl wieder wegfahren.
    Na gut. Ich beschließe, dass Frau Weiland und die I-Gitts in die
nächste Fuhre kommen; Isolde, Bernie und Annkathrin werde ich zum Schluss holen, jetzt wird erst mal Friederike Kohlmeyer, Psychologin mit Stil, eingesackt. Und Kilian Stuhlmüller, der wunderbare Richter. Dann ist das Auto voll, und ich werde zurück in dieses Haus mit der Gruft fahren. Bin ich gespannt.

16

     
    Auf dem Weg zum Auto komme ich an Plakaten vorbei und muss feststellen, dass ich mich tatsächlich geirrt habe. Die Frau, die darauf abgebildet ist, sieht zwar aus wie Mutter Drombusch, es ist aber nicht Witta Pohl. Ich ärgere mich über die vergeudete Zeit, die ich in dem Theater zugebracht habe.
    Mit den Worten: »Satan geht es nicht gut« werde ich am Taxi empfangen. Ich nehme den Heuler unter die Lupe, und Ali scheint tatsächlich recht zu haben. Die Augen des Wolfs sind glasig, und er sabbert, während er apathisch nach einem imaginären Feind zu schnappen scheint. Wahrscheinlich hat er aufgrund seiner Fettleibigkeit jetzt noch Herzprobleme bekommen.
    »Mein armer Schatz.« Sanft wird er von Ali gestreichelt. »Wenn wir zu Hause sind, mach ich

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