Saugfest
aber
aussehen
wie echte Maden. Aber sie haben solche Haken, die man an der Angel befestigen kann. Ich dachte wirklich, es seien Lebendmaden.«
Lebendmaden. Gleich reicht es wirklich. »Was soll das heißen?«,
brülle ich nach hinten, während ich überlege, wo hier eine Tankstelle sein könnte, an der ich neue Scheibenwischer kaufen kann; andererseits beschleicht mich das ungute Gefühl, mit diesen beiden Idioten, die da hinter mir sitzen und von denen einer echte und unechte Maden nicht auseinanderhalten kann, nirgendwo auftauchen zu können, ohne dass eine weitere Katastrophe passiert. Aber ich muss es versuchen, sonst schnecke ich in drei Jahren noch auf dieser Landstraße herum und kriege nichts gebacken außer künstliche Maden auf einem Spirituskocher.
Halbblind schaffe ich es dann doch noch, unfallfrei zu einer Tankstelle zu kommen, besorge Scheibenwischer und halte Ali davon ab, den halben Laden leerzukaufen; er meint, hier gäbe es aber schöne und ausgefallene Sachen wie Schokolade und Salzstangen, und man sei ja blöde, wenn man da nicht zuschlagen würde. Mich beschleicht langsam, aber sicher der Verdacht, dass er kaufsüchtig ist.
»Wo fahren Sie denn hin?«, fragt Goske gequält, als wir wieder auf der Straße sind.
Ich antworte: »Das geht Sie überhaupt nichts an«, sage dann aber noch: »Ins Winterhuder Fährhaus. Das ist ein Theater. Dort wartet nämlich jemand auf mich.« Mir ist nämlich eingefallen, dass ich letztens ein Plakat gesehen habe, auf dem angekündigt wurde, dass Witta Pohl dort demnächst auf der Bühne stehen wird. Sogar das Datum hab ich mir gemerkt. Heute ist Premiere. Und mit Sicherheit wird sie dort proben. Sie wohnt sowieso in Hamburg, aber ihre Privatadresse werde ich so schnell nicht rauskriegen.
»Aber ich muss doch ins Krankenhaus.«
»Nein«, wiegele ich ab. »Das ist doch alles nur halb so wild.« Herrje, der soll sich wegen ein paar künstlicher Maden nicht so anstellen. Andere Leute, beispielsweise die in Australien, werden von Krokodilen oder Haien gebissen und halten stolz ihre Narben plus ihre wettergegerbten und sonnenverbrannten Gesichter in die Fernsehkameras, während sie hoffen, als Surflehrer entdeckt
zu werden, und sagen mit dieser rauen Stimme, die eben nur den Australiern gegeben ist: »Dem hab ich’s aber gezeigt. Einem Lachlan McPhinishelback beißt man so mir nichts, dir nichts kein Bein ab.«
»Die spielt hier nicht.« Der Pförtner vom Winterhuder Fährhaus ist nicht gerade kooperativ, als ich ihm sage, dass ich Witta Pohl abholen soll. »Hier hat auch keiner von den anderen selbst ein Taxi bestellt. Das mache immer ich«, sagt er beleidigt. Er scheint sich in seiner Kompetenz beschnitten zu fühlen.
»Warum sollte ich denn hier sein, wenn sie keines bestellt hätte?« »Ich ruf mal hinten an und frage.«
Nein! Ich überlege, wie ich ihn davon abbringen kann, und entdecke glücklicherweise an einer Pinnwand, die sich hinter dem Pförtner befindet, das Foto eines Hundes. »Oh«, sage ich euphorisch und deute auf das Foto. »Was für ein außergewöhnlich hübsches Tier. Was für ein süßer kleiner Kerl.«
»Kleiner Kerl? Es ist ein Rhodesian Ridgeback. Die Rasse kommt aus Südafrika. Wird unter anderem zur Löwenjagd eingesetzt. Bonsai hat Rattengift gefressen und befindet sich noch in der Tierklinik.«
»Die arme Seele«, bedauere ich das Schicksal des Köters und danke den höheren Mächten dafür, dass dieser Bonsai sich in einer Klinik befindet. Würde der Heuler mit einem südafrikanischen Löwenjäger konfrontiert, wären seine Tage gezählt und sein Selbstwertgefühl am Arsch.
»Was sind das für böse Menschen, die Rattengift auslegen, damit ein unbescholtener, unwissender Hund daran fast zugrunde geht«, versuche ich mir weiter das Vertrauen des Pförtners zu erschwindeln.
Er beugt sich über seinen Tisch ein Stück weiter zu mir nach vorn. »Papperlapapp.« Er schüttelt den Kopf. »Ich hab ihm das Rattengift selbst gegeben, weil ich überfordert bin mit dem Tier. Es braucht zu viel Auslauf. Wie soll ich das schaffen? Außerdem
war es ja nicht meine Idee, einen Wachhund für hier anzuschaffen.«
»Recht haben Sie.« Nun beuge ich mich so weit zum Pförtner, bis sich unsere Nasenspitzen fast berühren. »Wo ist sie?«
»Die Klinik?«
»Nein, Frau Pohl.«
»Noch mal: Die tritt hier nicht auf. Und hier ist nur Tohuwabohu. Die Proben klappen hinten und vorne nicht, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Nun schüttelt er
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