Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
Vom Netzwerk:
dir eine heiße Brühe.«
    »Vielleicht könnte man vor der Zubereitung noch die Maden aus meinem Bein entfernen«, wirft Goske vorlaut ein, wird aber von mir ignoriert. Den knöpfe ich mir später vor, und zwar richtig, nicht mal eben so auf einer Autofahrt.
    Friederike hatte ihre Praxis damals in Eppendorf, und ich will doch mal schauen, ob sie sich immer noch da befindet. Je näher ich diesem entsetzlich elitären Stadtteil komme, desto mehr beschleunige ich. Schon seit Jahren träume ich davon, eine dieser arroganten Schnepfen mal so richtig schön anzufahren, natürlich so, dass sie die Schuld trägt, nicht ich. Leute, die in Eppendorf wohnen, sind grundarrogant, warum auch immer. Die Frauen ganz besonders. Man hält sich für was Besseres, bloß weil man einen reichen Kerl geheiratet und den ganzen Tag nichts anderes zu
tun hat, als darüber zu lamentieren, dass es ganz schön schwierig ist, eine gute Putzhilfe zu bekommen und dass Bulgari auch schon mal schönere Schmuckstücke auf dem Markt hatte. Man kauft ein bei
Butter Lindner
, wo hundert Gramm stinknormaler Fleischsalat so viel kostet wie die Monatsmiete einer Zweizimmerwohnung in Wilhelmsburg, man hat blonde Strähnchen, trägt Barbourjäckchen und die Stiefel über den Hosen. Kurz und gut: furchtbar. Leider sind die Leute in Eppendorf aber eher die von der schnellen Truppe, sprich, sie können gut ausweichen. Deswegen habe ich bei meinen Attentatsversuchen bislang kein Glück gehabt.
    Wenigstens habe ich Glück mit der Adresse. Die gute Friederike praktiziert immer noch in der Hegestraße. Und einen Parkplatz finde ich auch.
    Aber Friederike ist nicht da, wie mir eine gelangweilte Assistentin erzählt, sondern musste zu einer Verhandlung und befindet sich derzeit bei Gericht.
    *
    Was für ein glücklicher Zufall, dass Kilian gerade mit einem weiteren Opfer, das zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung verdonnert wurde, mit Friederike zusammen in einem etwas abgelegenen Gerichtsflur stand. Und wie gut, dass ich mal einen Grundkurs in Karate belegt habe. Das wurde uns damals von der Taxizentrale angeraten, also gerade den Frauen. Nicht, dass jemals irgendein Mann versucht hätte, mich tätlich anzugreifen, aber absolviert hab ich diesen Kurs trotzdem.
    Jedenfalls hockt jetzt Friederike neben mir, und Kilian liegt hinten auf Alis Schoß. Nachdem der Angeklagte aufs Klo gegangen war, bin ich mit den geschmeidigen Bewegungen einer Raubkatze durch den Flur gestürmt und habe die beiden überwältigt. Wir haben sie durch einen Nebeneingang rausgeschleust; Leuten, die Fragen stellten, haben Ali und ich zugeraunt, dass die beiden umgekippt seien, weil sie mit den Urteilen nicht einverstanden waren. Dann haben wir sie mit Seilen fixiert, die ich aus Gründen, die ich
nicht kenne, im Kofferraum gefunden habe. Nun wachen sie langsam auf. Ich beschließe, mich erst einmal nicht zu erkennen zu geben, weil ich ein Handgemenge während der Fahrt unter allen Umständen vermeiden möchte, habe aber nicht mit Friederike gerechnet, die ein gutes Langzeitgedächtnis zu haben scheint.
    »Sie sind die, die angeblich immer ihren Opa einölen musste«, keift sie sofort los und würde mich ganz sicher mit einem spitzen Zeigefinger bedrohen, so sie denn nicht gefesselt wäre.
    »Und wenn schon«, sage ich.
    »Du hattest einen Opa?« Ali keucht das so, als würde ihm aufgrund dieser Tatsache gerade der Boden unter den Füßen weggerissen.
    »Jeder hat einen Opa«, kommentiert Goske seine Aussage. »Jeder.«
    »Ich nicht.« Ali ist schon wieder traurig. »Ich habe ja noch nicht mal eine Mutter.« Er beugt sich nach vorn zu Friederike. »Das war während der Französischen Revolution. Der Mob probte einen Aufstand. Im Getümmel habe ich sie verloren.«
    Friederike antwortet nicht. Ich schaue kurz zu ihr hinüber und bin mir sicher, dass sie gerade darüber nachdenkt, wie sie Ali den Führerschein am schnellsten entziehen kann. Ich wiederum bin mir sicher, dass Ali noch nie einen Führerschein besessen hat, weil man zum Führen von Kutschen damals keinen brauchte. Wenn die Pferde nicht mehr konnten, hat man sie einfach an einer Pferdewechselstation ausgetauscht, und niemand hat sich um irgendwas geschert. Damals gab es mit Sicherheit auch noch keine Promillegrenze. Das Wort im Übrigen auch nicht. Ein leises Wimmern vom Heuler bereitet mir Sorge. Der Wolf scheint wirklich krank zu sein. Zottel wird mich umbringen, wenn ich mit einem toten Raubtier nach Hause komme.
    Moment

Weitere Kostenlose Bücher