Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
Vom Netzwerk:
mal … was wäre daran so schlimm, wenn er mich umbringt? Ich wollte doch immer sterben. Warum hadere ich jetzt auf einmal mit meinem Schicksal? Was ist bloß los mit mir? Leider komme ich nicht dazu, weiter über diese Angelegenheit nachzudenken,
denn Kilians Stimme ertönt von der Rückbank. »Ist das eine Entführung?«, fragt er.
    »Ich glaube eher, versuchter Mord«, klagt Goske. »Schauen Sie sich mal mein Bein an. Ich würde gern sagen, dass es darin von Maden wimmelt, aber leider tut es das nicht. Leider sind das nämlich Maden, die nicht wimmeln können, da es künstliche Maden sind. Sie haben sich in meinem entzündeten Gewebe verhakt, und jede Bewegung schmerzt. Und das mit dem Entfernen haben wir bislang leider noch nicht hinbekommen. Wäre mein Vater jetzt hier, er wüsste Rat.«
    »Aha«, sagt Kilian. Was soll man dazu auch sonst sagen?
    »Um Gottes willen!«, kreischt Ali mir ins Ohr. »Halt sofort an!« Während ich geistesgegenwärtig auf die Bremse trete, hat er schon die Tür geöffnet. »Da ist ein Hofladen, der hat Bio-Mangold!«, brüllt er weiter.
    Jetzt reicht es wirklich.
    »Ali! Du bleibst hier!«, kreische ich zurück, weil auch ich nur Nerven habe. Es interessiert mich auch nicht, ob »Mangold total gut zu Forellen, gebraten auf dem heißen Stein« passt. Ich kupple ein und gebe Gas, bevor Ali aus dem Wagen steigen kann. Er ist tödlich beleidigt: »Da finde ich mal einen Hofladen, der nicht-genmanipulierten Mangold hat, und mir wird der Kauf verwehrt«, kommt es bitter. »Mangold im Supermarkt hat eine lange Reise hinter sich und kommt aus einem holländischen Gewächsh …
    O GOTT , HALT AN ! SOFORT !«
    »Was ist denn jetzt schon wieder?« Ich habe bald gar keine Nerven mehr.
    » DA VORNE ! DA ! SEHT IHR DENN NICHT ?«
    »Ja, was denn?« Ich bin schon wieder am Bremsen; dem nachfolgenden Verkehr gefällt das alles überhaupt nicht. »Was soll ich sehen? Passanten.«
    » DIE FRAU DA RECHTS MIT DEM KOPFTUCH ! DAS IST MEINE MUTTER !«
    »Das war das letzte Mal, dass ich irgendwo angehalten habe.« Ich rase mit hundert Sachen durch eine geschlossene Ortschaft und hoffe nur, dass um diese Uhrzeit wenige Menschen beschließen, eine Straße zu überqueren. Die arme Frau, die von Ali beinahe zu Boden gerissen wurde, heißt Wanda Sturm, ist seit dreißig Jahren mit Heribert verheiratet und hat drei Töchter, aber keinen Sohn. Und sie wusste noch nicht mal, was eine Revolution ist und konnte auch mit französischen Königen und Läusen nichts anfangen. Sie kannte lediglich den Namen Marie-Antoinette, aber auch nur, weil eine ihrer Töchter eine Puppe mal so oder so ähnlich getauft hatte. Davon mal ganz abgesehen war sie ziemlich in Eile, weil sie – Achtung! – frischen Mangold eingekauft hatte und diesen zum Mittagessen zubereiten wollte. Ali aber hat nichts von alldem geglaubt, sondern steif und fest behauptet, bei Wanda würde es sich um seine Mutter handeln und ob sie sich denn nicht mehr daran erinnern könne, dass sie beide wahnsinnig viel miteinander durchgemacht hätten. Wanda hat es natürlich irgendwann mit der Angst zu tun bekommen und ist zurückgewichen, was Ali allerdings nicht interessiert hat. Um es kurz zu machen: Ich zerrte Ali ins Auto zurück, um das sich selbstverständlich schon eine Traube von Menschen versammelt hatte, die ungläubig ins Innere starrten, was von Goske auch noch mit dem Satz: »Ja, Sie sehen richtig, das sind künstliche Maden«, kommentiert wurde. Der eine oder andere zückte sein Fotohandy, um das Spektakel festzuhalten.
    Und jetzt sind wir auf der Flucht.
    »Das wird Folgen haben«, sagt Kilian andauernd. »Und wenn die Folgen ausgestanden sind, ist Ihr Lappen für alle Tage weg. Ich kenne die Paragraphen. Ich kenne sie gut.«
    »Sie werden
mich
bald kennenlernen, Herr Stuhlmüller«, sage ich ganz ruhig, während ich noch einen Zahn zulege. »Sie nämlich werden bald wissen, was es heißt zu büßen.«
    Jetzt rede ich ja fast schon so wie Malte. »Glauben Sie mal nicht, dass ich das nicht wüsste«, klagt Kilian.
»Tagein, tagaus habe ich es mit Sündern zu tun. Es werden täglich mehr. Warum haben Sie uns übrigens gefesselt?«
    »Was soll denn die blöde Frage? Damit Sie nicht weglaufen können.«
    »Ach«, meint Kilian. »Mir ist jede Abwechslung recht. So muss ich mich nicht ständig mit irgendwelchen Paragraphen herumschlagen. Machen wir einen Ausflug ins Grüne? Wo geht’s denn hin?« Der Typ ist irre. Ich lasse seine Frage unbeantwortet, um

Weitere Kostenlose Bücher