Saugfest
Und so sehen die hier ja eigentlich auch alle aus. Warum in Dreiteufelsnamen ist mir das nicht aufgefallen?!
Aber jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen.
Ali erscheint meine Gedanken zu erraten. »Ist das nicht klasse?«, fragt er nämlich fröhlich und brät in Gedanken wahrscheinlich
schon für alle Forellen, überlegt sich passende Beilagen und wie man das alles für so viele Personen warmhält. Ich drehe gleich durch. Dann hat Ali auch noch die Nerven, mir eine Visitenkarte zu überreichen. Auf ihr steht: »In Linsengericht gibt’s nicht nur Suppe, sondern auch ’ne gute Truppe!« Den Rest weigere ich mich zu lesen, weil ich das mit der Suppendoppeldeutigkeit schon unzumutbar finde.
»Ihr spinnt ja wohl. Alles abgekartet. Schönen Dank auch! Sag mal Hubertus, dann war das mit dem Küssen wohl auch alles gespielt?«
Hubertus will etwas sagen, aber ich komme ihm zuvor. Mir wird heiß und kalt gleichzeitig. Da hab ich mich ja so richtig schön zum Affen machen lassen.
»Ihr seid so gemein!«, rufe ich und balle die Faust, und es ist mir egal, ob ich in meiner Tracht glaubwürdig wirke oder nicht. »Bleib bloß weg, Bernie, fass mich nicht an. Was bildet ihr euch eigentlich ein? Was glaubt ihr, wer ihr seid? Einfach mal so jemanden
buchen
, um mich auf einen richtigen Weg zu bringen! Das glaub ich ja nicht. Eins sag ich euch, da könnt ihr Herrn Richter fragen: Ich war auf einem guten Weg, auf einem sehr guten sogar. Aber das hier, das macht alles kaputt.« Damit meine ich natürlich einzig und allein die Tatsache, dass Hubertus mich nur geküsst hat, weil das so im Drehbuch stand. Das ist so demütigend! Ich möchte ihn schlagen. Ich möchte ihn küssen. Ich möchte ihn haben. Ich will, dass er weggeht. Ich keife hilflos: »Ihr könnt mich alle mal! So was Mieses! Wie steh ich denn jetzt da? Was habt ihr mir da angetan?«
Goske keckert hämisch vor sich hin.
»Das ist es ja gerade!«, schreit Annkathrin zurück. »Immer geht es nur um dich. Dich. Dich. Wie stehst
du
da? Was wurde
dir
angetan? Du denkst ja nie mal drüber nach, was andere empfinden. Du wolltest mir sogar meine Hochzeit vermiesen, aber das ist dir leider nicht gelungen. Das war nämlich gar nicht meine Hochzeit, das haben wir alles für dich arrangiert, du arrogante,
blöde Nuss.« Huch. Solche Worte bin ich von ihr nun gar nicht gewohnt. Aber offenbar muss da was raus. »Das Kleid hier ist geliehen, wir haben natürlich alles so aussehen lassen, als sei es echt, wir haben uns richtig viel Mühe gegeben. Wie ein Idiot habe ich an deinem Laptop gesessen und für die Hochzeit recherchiert, damit du bloß keinen Verdacht schöpfst. Aber ich wusste ganz genau, dass du mal wieder ausfallend werden würdest. Wärst du es auf meiner Hochzeit, am wichtigsten Tag meines Lebens, ausnahmsweise mal nicht geworden, dann hätten wir auf das alles hier verzichtet. Aber du hast natürlich mal wieder bewiesen, dass man sich hundertprozentig auf dich verlassen kann. Du gönnst niemandem das Schwarze unterm Fingernagel. Das fing damals an, als deine Eltern sich haben scheiden lassen. Ab da wurde es immer schlimmer.«
»Wenn ich allein an die ganzen unflätigen Bemerkungen denke, die du mir schon an den Kopf geworfen hast«, fügt Malte noch hinzu. »Respektlos. Dabei bin ich ein Kollege. Und zu Kollegen muss man doch immer nett sein.«
»Zu meiner Mutter warst du auch immer eklig«, Annkathrin redet sich in Rage. »Egal, was sie getan hat, du hast sie verachtet und sie das spüren lassen. Immer. Dabei war sie nett zu dir.«
»Pah!« Ich atme keuchend aus. »Sie hat mich doch immer provoziert. Und ständig ist sie um dich herumscharwenzelt, wie eine Glucke! Und um mich auch. Wollt ihr noch Gulasch, wollt ihr noch Kekse, ach, da seid ihr ja, kommt doch rein, es ist ja so kalt draußen, soll ich euch einen heißen Tee machen? Willst du heute nicht hier schlafen, Helene, die Straßen sind doch spiegelglatt. Schaut euch doch ein Video an und macht es euch gemütlich.« »Na und? Das war doch nett gemeint.«
Nun mischt sich Birte ein. »Helene, begreifst du denn nicht? Jesus hat auch immer gepredigt, dass … «
»Lass mich bloß mit Jesus in Ruhe!«, fahre ich sie, ein wenig in die Ecke gedrängt, an.
»Aber Jesus hatte immer recht.«
Ich beschließe, gar nicht auf ihre Worte einzugehen. Ich bin viel zu verletzt, und zwar in erster Linie, weil Hubertus mich im Zusammenhang mit einem Auftrag geküsst hat, und ich Dumpfbacke mir Gedanken darüber
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