Saukalt
lag sehr weit unter dem eines gut besuchten Lokals.
Unwillkürlich schoss dem Strobel die Frage durch den Kopf, wo die Besitzer der
Fahrzeuge abgeblieben waren. Im Lokal waren sie offensichtlich nicht. Die
Traude stand mit dem Rücken zur Tür und hantierte mit Gläsern. Das leise
Klirren, das sie dabei verursachte, war deutlich zu hören. Soweit der Strobel
auf den ersten Blick feststellen konnte, war in dem Raum nach der Neuübernahme
ziemlich alles beim Alten geblieben. Die gleichen schäbigen alten Holztische
und Stühle, die Lampen und die Bar. Alles genau wie früher. Nur die Vorhänge
und die Farbe der Wände hatten sich verändert. Und zwar in einer Art und Weise,
die den Strobel fast ein bisschen an ein Bordell erinnerte. Rot so weit das
Auge reichte. Wände rot. Vorhänge rot. Ja, sogar die Beleuchtung war teilweise
rot. Während er seinen Mantel auszog und an die Garderobe hängte, fielen ihm an
einem Tisch links neben der Bar drei Männer auf, die er noch nie in der Gegend
gesehen hatte. Ganz Gendarm kombinierte er gleich, dass das die Gäste aus Wien
sein mussten. Die übrigen Männer, die aus der Gegend stammten, kannte er
zumindest vom Sehen. Recht vertrauenswürdig sahen die drei Burschen nicht
gerade aus. Schon gar nicht der Typ, der mit dem Rücken zur Wand saß und dem
Strobel einen prüfenden Blick zuwarf. So ein langhaariger mit Schnauzbart war
das. Mit seinen stechenden Augen und der eigentümlich flachen Nase sah er wie
ein richtiger Ungustel aus. Zumindest empfand das der Strobel so. Nach dieser
ersten Bestandsaufnahme bewegte er sich auf einen der freien Barhocker zu. Als
er sich setzte, war die Traude gerade mit dem Bierzapfen fertig und drehte sich
um. Ganz kurz kam dem Strobel so vor, als wäre die Gute ein bisschen
zusammengezuckt, als sie ihn erkannte. Sicher war er sich da aber nicht. Sollte
es doch so gewesen sein, so hatte sich die Frau gut unter Kontrolle. Sie
schenkte dem Strobel nämlich ihr schönstes Wirtinnenlächeln. Da strahlten die
Beißerchen nur so zwischen den Lippen hervor. Sie hatte wirklich schöne weiße
Zähne, die Traude. Da hast du gar nichts dagegen sagen können. Ein Gebiss wie
aus einer dieser neuartigen Zahnpastawerbungen. Ich meine, die Traude war als
Ganzes eine sehr hübsche Frau. Sie war schlank, hatte eine gute Figur, lange
Beine und sogar ausreichend Holz vor der Hütte, um auch den kältesten Winter zu
überstehen. Ein optischer Leckerbissen quasi. Allein wegen ihr lohnte es sich für
viele Männer schon, in den Hexenwinkel zu gehen. Aber weil halt im Leben nicht
alles perfekt ist, hatte auch die Traude die eine oder andere Schwachstelle.
Man könnte sagen, die Frau war manchmal geistig nicht ganz so flexibel, wie man
sich das im Allgemeinen vorstellte. Nicht, dass ich damit sagen will, dass sie
dumm war. Nein, gar nicht. Nur ein bisschen langsam halt. Es war in ihrer
frühesten Kindheit schon aufgefallen, dass das Mädel keine Schnelldenkerin war.
Zum Beispiel hatte die Traude sehr lange gebraucht, bis sie anständig reden
konnte und in der Schule war sie später auch keine Leuchte. Es fehlten ihr,
sozusagen, die genieähnlichen Züge. Einer ihrer verflossenen Liebhaber hatte
ihre Intelligenz einmal auf seine eigene Weise beschrieben. Der hatte nämlich
gemeint, dass sie vor ihrer Geburt einen Handel mit dem lieben Gott gemacht
haben musste. Nämlich, dass er ihr anstelle des Gehirns einfach die doppelte
Menge an Busen geben soll. Und der Herr hatte sie erhört. Das war ganz schön
gemein. Aber schon auch echt witzig. Allerdings glaube ich, der liebe Gott hat
danach selbst eingesehen, dass das ein Fehler war. Wieso hätte er sonst dafür
sorgen sollen, dass das Silikon erfunden wurde? Aber vielleicht wollte er sich
dadurch auch nur viel Arbeit ersparen. Weil wenn du heute so schaust, sind
offensichtlich viele Frauen mit ihrer Oberweite unzufrieden. Da hätte der liebe
Gott so viel zu tun, dass er sonst nichts mehr machen könnte. Sei’s drum.
Jedenfalls war die Traude ein geistiges ›Nackerpatzel‹. Von daher stellte sich
für ihre Eltern auch nie die Frage, ob das Kind vielleicht etwas anderes werden
sollte als Wirtin. Ihrem Vater war es jedenfalls sehr recht, dass er wenigstens
eine Erbin hatte. Zumal ihm seitens Mutter Natur ein Sohn versagt blieb. Und, obwohl
mit der Intelligenz einer Bettwanze ausgestattet, erkannte die Traude bereits
in relativ jungen Jahren, dass im Leben vieles einfacher ging, wenn sie ein
bisschen mehr Bein oder gar
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