Saukalt
oder gar sauer. Im Grunde bewegte er sich jetzt
quasi mitten in feindlichem Gebiet. Das war ihm völlig klar. Es war schon als
mittleres Wunder zu betrachten, dass er überhaupt so anstandslos ins Haus
gelassen worden war. Aber offenbar waren die Burschen, was ihre Fähigkeit sich
zu genieren anging, ziemlich schmerzfrei. Mitten ins allgemeine Schweigen
hinein wollte die Oma wissen, ob er jetzt den ganzen Tag blöd herumstehen oder
lieber endlich sagen wolle, warum er gekommen war. Erst jetzt bemerkte er, dass
die alte Frau nicht in den Raum gegangen, sondern noch vor der Türschwelle
stehen geblieben war. Eine kluge Frau eben, die Fellner Oma. Und weil der
Strobel wusste, dass langes um den heißen Brei herumreden hier nichts bringen
würde, und um die Zeit seines Aufenthaltes zu verkürzen, kam er ohne Umschweife
zur Sache. Mit so wenigen Worten wie irgendwie möglich erklärte er, dass er ein
bisschen was über den Fritz wissen wolle. Zum Beispiel, woher der den Pavel aus
Polen kannte. Als der Strobel den Namen Pavel erwähnte kam es ihm so vor, als
würden sich die Mienen der Brüder schlagartig noch mehr verfinstern. Aber
keiner von ihnen antwortete. Also hakte der Strobel nach und meinte, dass ihm
das schon komisch vorkomme, mit wem der Fritz Kontakt gehabt hatte. Wieder
reagierten die Männer nicht. Da kam dem Gesetzeshüter eine vage Idee in den
Sinn und er sagte, dass er das Gefühl habe, dass der Fellner Hans und der
Brauneis Thomas diesen Pavel auch schon näher kennengelernt hatten. Dabei
zeigte er auf sein verschwollenes Gesicht und verkündete, dass der Kerl bei ihm
auch schon seine Visitenkarte hinterlassen hatte. Antwort bekam er zwar wieder
keine, aber an der Reaktion vom Hans konnte er erkennen, dass er mit seiner
Vermutung anscheinend gar nicht so falsch lag. Aber es ist halt eine
unumstößliche Tatsache, dass ein Gendarm und ein Gauner nicht plötzlich Freunde
werden, nur weil sie vom gleichen Kerl verprügelt wurden. Daher eben wieder
keine Antwort. Jetzt wurde der Strobel doch ein klein wenig wütend und fragte
die Männer, ob sie wirklich glaubten, dass er so blöd war und nicht mitbekam,
dass etwas mit dem Ableben vom Fritz nicht stimmte, und ob sie nicht begreifen
wollten, dass er auf der Suche nach dem Schuldigen war. Das Wort Mörder
verwendete er bei seiner Ansprache absichtlich nicht. Der Fellner Fred
reagierte jetzt doch und meinte, dass sie keine Ahnung hätten, wovon der
Strobel da eigentlich redete, weil der Fritz sich hochoffiziell selber
umgebracht hatte. Dabei sah er den Strobel so komisch an, dass dem schlagartig
Angst und Bang geworden ist, weil er zu verstehen glaubte, was da vor seinen
Augen ablief. Die Fellners wollten ihre Probleme anscheinend selber lösen. Ohne
Hilfe der Gendarmerie. Auf ihre spezielle Art. Dass da nichts Gutes dabei
rauskommen würde, war dem Strobel natürlich auch gleich klar. Das Einzige, das
er noch nicht verstand war, was für eine Rolle der Brauneis Thomas in diesem
Spiel spielte. Weil dass es ein Zufall war, dass der gerade jetzt im Haus von
den Fellners aufgetaucht war, wollte er nicht so recht glauben. Einen
Zusammenhang zwischen ihm und diesem Pavel konnte er allerdings auch nicht
herstellen. Von daher redete sich der Strobel lieber ein, dass das alles nichts
zu bedeuten hatte, und die Familie Fellner wirklich an den Selbstmord vom Fritz
glaubte. Überzeugt war er von dieser Theorie aber weiß Gott nicht. Weil er
merkte, dass er hier nicht weiterkommen würde, ermahnte er die Burschen
eindringlich, nur ja keinen Blödsinn zu machen und zu ihm zu kommen, falls es
etwas gab, das er wissen sollte. Außer einem spöttischen Grinsen vom Fred
brachte ihm das aber nichts ein. Von draußen konnte er die Oma sagen hören,
dass er jetzt gerne wieder gehen könne, falls das alles gewesen sein sollte.
Und genau das machte er dann auch. Er ging. Der Fred ließ es sich nicht nehmen,
ihm unter dem hämischen Gelächter seiner Brüder noch eine gute Besserung für
sein Gesicht zu wünschen und ihm zu sagen, dass er das nächste Mal gefälligst
wieder anläuten soll, bevor er das Grundstück betritt. Der Strobel für seinen
Teil beteiligte sich insofern an diesem Austausch an Höflichkeiten, dass er
versicherte, seinen Fuß so schnell nicht mehr in diese Räumlichkeiten zu
setzen. Sei es nun mit oder ohne Anläuten. Insgesamt gesehen war der
Postenkommandant nach seinem Besuch bei den Fellner Brüdern sehr beunruhigt. Er
wusste zwar nicht, was genau vor sich
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