Saupech (German Edition)
nur einen Vaterschaftstest machen lassen, sobald das Kind da war. Und heiraten wollte er die Gundi auch nicht.«
»Er hätte also einen Grund gehabt, zu verschwinden.«
Karl nickte. »Na ja, vielleicht schon. Aber es war nicht seine Art, Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Eher zog er sie magisch an.«
»Und Sie haben all die Jahre nie ein Lebenszeichen Ihres Bruders erhalten?«
»Nein. Das ist das, was ich am wenigsten verstanden hab. Und der einzige Grund, wieso ich mir vorstellen könnt, dass ihm wirklich was passiert ist. Er hätte sich sicher irgendwann gemeldet. Wir waren ja nicht bös miteinander.«
15
Sein Vater hatte ihn viel gelehrt. Sich auf die Beine zu stellen und selbstbewusst zu handeln. Zu den eigenen Taten zu stehen. Keine Zweifel aufkommen zu lassen, insbesondere nicht hinterher. Durch die harte Arbeit war er für sein Alter groß und kräftig. Aber der Alte hatte ihm auch noch etwas anderes beigebracht: Brutalität, Grausamkeit, abgestumpft zu werden gegenüber den Gefühlen von Tieren. Vater meinte, die hätten gar keine Gefühle. Doch das konnte nicht sein. Er hatte einen kleinen Hund. Der liebte ihn. Wich nicht von seiner Seite. Dieses herzige Fellbündel hatte ihm etwas gegeben, das er von niemandem sonst zu Hause bekommen hatte: Liebe.
Eines Abends war er nach einem langen Tag in der Schule heimgekommen. Der Hund, der ihn sonst immer schon an der Bushaltestelle erwartet hatte, war nicht da. Er dachte, er sei vielleicht irgendwo eingesperrt.
Zu Hause merkte er, dass wieder einmal dicke Luft herrschte. Wie Mama so laut schwieg, dass es in den Ohren schmerzte. Wie sich seine Schwester verkroch, sein Vater die Türen schlug.
»Was ist denn los?«, wagte er zu fragen.
»Du hast deine Arbeit nicht erledigt!«, fuhr ihn der Vater an.
»Ich musste doch zur Schule.«
»Scheiß auf die Schule! Die Kuh war nur halb zerlegt. Du hast sie einfach am Haken hängen lassen und dich davongemacht. Jetzt ist das Fleisch verdorben!«, schrie er. »Kannst es vielleicht noch als Hundefutter verkaufen. Weißt du, was das für Einbußen sind?«
Beklommen schüttelte er den Kopf. »Aber was hätt ich denn machen sollen?«
»Deine Arbeit!«, brüllte der Vater mit hochrotem Schädel.
Es hatte keinen Sinn, darauf hinzuweisen, dass es eine Schulpflicht gab. Wenn sich sein Vater in diesem Zustand befand, konnte man ihm nur weiträumig aus dem Weg gehen.
»Wo ist denn Hasso?«, fragte er seine Mutter. Sie drehte sich wortlos um und verließ die Küche.
»Er hat die Strafe bekommen, die du verdient hast.« Sein Vater grinste irgendwie unheimlich.
»Du hast ihn geschlagen?«
»Erschossen.«
Ihm blieb die Luft weg. Der Arsch hatte das Einzige auf der Welt, das ihm etwas bedeutete und ihn liebte, getötet! Er stürzte davon. Hinter ihm brüllte der Vater wie ein Stier. Es war ihm egal.
In dieser Nacht hatte er den Alten erledigt. Da sie nicht genug Fleisch für alle Bestellungen hatten, mussten sie eine weitere Kuh schlachten. Er hielt ihr den Schlachtschussapparat an den Kopf, der Vater presste sie mit einem Gitter gegen die Wand. Als sie zusammensackte, musste der Alte zur Seite springen. Er handelte instinktiv und drückte noch mal ab. All die aufgestaute Wut, der Hass, weil er ihm das Liebste genommen hatte, bahnte sich in diesem Moment den Weg nach außen.
Er zerlegte die Leiche, verstaute alles in einem Fass und fuhr mit dem Traktor in den Wald. Hob eine tiefe Grube aus und warf den sadistischen Sack hinein. Das Loch mit Erde zugeschaufelt und den Waldboden festgestampft und wieder geglättet, Laub und Nadeln drüber. Zu Hause warf er die Kleider ins Auto des Alten und brachte es in eine ihrer weiter entfernt gelegenen Scheunen. In einer der nächsten Nächte würde er sie in irgendeinem abgelegenen Schotterteich versenken.
Als seine Mutter und die Schwester morgens aufstanden, war er todmüde, aber glücklich. Der Scheißkerl würde niemandem mehr in der Familie wehtun.
Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass die Mutter tagein, tagaus jammerte, weil ihr Mann sie verlassen hatte. Statt dass sie froh war, dass dieses beschissene Leben ein Ende gefunden hatte.
Hassos leblosen Körper fand er auf dem Misthaufen. Er begrub ihn im Garten unter einem Fliederbusch. Sein geliebter Hund hatte sein Leben lassen müssen, damit er frei sein konnte.
Doch so war es nicht. Nur konnte er das damals noch nicht ahnen. Er war vierzehn Jahre und drei Monate alt.
16
Der Bürgermeister war wieder mal
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