Saupech (German Edition)
allem lag der typische harzige Odem des Föhrenwaldes. Kein Mistgeruch. Aus der Ferne drang Volksgemurmel an sein Ohr. Er näherte sich dem Ort des Geschehens.
Bei der Pecherkapelle waren Tische und Bänke auf der abgesperrten Straße aufgestellt. Daneben Verkaufsstände für Getränke und Speisen. Jede Menge los hier! So viele Einwohner hatten die umliegenden Ortschaften doch gar nicht. Und wie sollte er Dorli da finden?
Er schritt an der Blaskapelle vorbei und hoffte inbrünstig, dass die lange Pause haben würden, während er seine Blicke über die Sitzenden schweifen ließ. Von Dorli keine Spur. Dafür kam Bär auf ihn zu und klopfte ihm auf die Schulter. Doch was er sagte, ging in dem infernalischen Lärm der Kapelle unter, die eben wieder loslegte. Lupo zuckte bedauernd die Schultern und machte, dass er einen größeren Abstand zwischen sich und die Bläser brachte.
Und dann sah er sie. Sein Herz tat einen Satz. Dorli im Dirndl! Er konnte sich nicht erinnern, sie je in etwas anderem als Hosen oder ihrer Bikerkluft gesehen zu haben. Na, das stimmte auch nicht ganz. Einmal war sie fast nackt, als er sie gerettet hatte, und einmal hatte er sie mit Lockenwicklern und im Frotteebademantel überrascht. Aber nie in einem Kleid. Sie sah phantastisch aus. Das halblange kastanienbraune Haar hing ihr über die Schultern, als sie sich zu den Leuten beugte, denen sie gerade Geld abknöpfte. Sie schien etwas zu verkaufen. Dorli richtete sich auf und wollte zum nächsten Tisch weitergehen. Und stand vor ihm.
»Lupo! Wie schön, dass du hier bist.« Sie hauchte ihm ein Küsschen auf die Wange. »Setz dich doch zu meiner Familie. Ich habe noch eine halbe Stunde zu tun. Dann komme ich zu euch.«
Sie bugsierte Lupo zu einem Tisch. »Hallo, meine Lieben, das ist Lupo. Und die Rasselbande da«, sie wies der Reihe nach auf ein paar Leute, »ist meine Familie. Lore, meine Schwägerin, kennst ja schon, Georg, mein unmöglicher Bruder, daneben Lilly und Peter, ihre Kinder, und Opa Brummi, Lores Vater. Ihre Mama ist irgendwo dort beim Kuchenstand. So, und jetzt seid lieb zu Lupo. Nicht dass er mir abhaut, während ich die letzten Wetten annehme.«
»Was denn für Wetten?« Erst jetzt bemerkte Lupo, dass Dorli außer einer Liste und einer Schachtel mit Geld ein Einmachglas mit Bockerln in der Hand hielt.
»Wenn du errätst, wie viele Bockerlsamen da drin sind, kannst einen der drei Preise gewinnen.«
»Hm, das müssen ja Hunderte sein.«
»Nenn mir eine Zahl und setz einen Euro drauf. Dann spielst du mit.«
»Was gibt es denn zu gewinnen?«
»Die Geschenkkörbe, die dort auf dem Tisch stehen. Und der Hauptpreis ist ein Reisegutschein.«
»Na gut.« Lupo zog einen Fünfer aus der Rocktasche. »Fünf Tipps. 999, 1345, 4367, 3588, 6001.«
»Danke schön.«
»Warum so komische Zahlen?« Lilly wunderte sich.
»Na, wenn eine davon richtig ist, hat die sicher kein anderer.«
»Raffiniert!« Die Kleine lachte. »I will auch noch mal, Tante Dorli. I will auch Alleinhabzahlen.«
Lore drückte ihr zwei Euro in die Hand.
»Und was darf’s sein?«, fragte Dorli.
»Sag du!« Lilly zeigte auf Lupo.
»5775 und 6453?«
»Ja, super!«
Dorli strich Schein und Münze ein, trug mit ihrer schönen Handschrift die Zahlen sowie Lupos und Lillys Namen in die Liste ein und wanderte weiter zum nächsten Tisch.
»Schön, dass Sie kommen konnten, Herr Schatz«, sagte Lore. »Und nochmals danke dafür, dass Sie und der Bär uns die Dorli gerettet haben.«
»Ich bin auch froh, dass wir noch rechtzeitig kamen. Aber sagen Sie bitte Lupo zu mir.«
»Da müss’ma schon Brüderschaft trinken. Können wir was bestellen?«, rief sie einem Mädchen mit Tablett zu.
Lupo orderte Bier. Und dann stieß er mit allen am Tisch an, auch mit der Frau von Opa Brummi. Der hieß übrigens Werner, doch weil er so eine tiefe Stimme hatte, nannten ihn die Kinder von klein auf Opa Brummi. Klarerweise war seine Frau dann Oma Brummi, obwohl ihre Stimme glockenhell klang. Die Kinder wurden größer, die Spitznamen blieben.
Wenn man Oma Brummi und Lore beobachtete, dann wurde auf der Stelle klar, woher die Tochter ihr überschäumendes Temperament hatte.
»An das wirst di bei der Dorli g’wöhnen müssen, dass sie immer irgendeine offizielle Tätigkeit bei alle Fest’ln ausübt. Sie jammert zwar manchmal, wenn ihr alles z’viel wird. Aber in Wirklichkeit tät ihr was abgehen, wenn’s es nicht machen müsst.«
»Bist du a echter Detektiv?«, fragte Peter.
Lupo
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