Saure Milch (German Edition)
Plastikabfall und Elektroschrott schaffen unsere braven Bürger über
die Grenze und laden das Zeug in leer stehenden Häusern oder einfach auf einem
Feldweg ab.«
Fanni schüttelte den Kopf.
»Über den Mülltourismus sind wir auf den Straßenstrich gekommen«,
erzählte Sprudel weiter, »und da hat einer der tschechischen Kollegen etwas
erwähnt, das mich veranlasst hat, mir sofort die Adresse von diesem Karel
aufzuschreiben. ›Die Mädel werden alle von ihren Zuhältern ausgenutzt und
drangsaliert‹, hat der Kollege gesagt, und einen Augenblick später hat er noch
drangehängt: ›Der Karel ist auch so einer. Der sekkiert seine Schwestern und
schickt sie auf den Strich, da bin ich mir sicher.‹ Es war nicht schwer
herauszufinden, dass Karel außer Mirza noch drei Schwestern hat, die alle mit
ihm unter einem Dach wohnen. Dieses Dach ist einen Besuch wert, habe ich mir
gedacht.«
Sprudel merkte, wie gespannt Fanni war, und ließ sie ein bisschen
zappeln. »Aber es war schon nach fünf Uhr, und deshalb habe ich beschlossen,
die Stippvisite bei Karel zu vertagen. Ich habe mir ein Hotelzimmer gesucht,
und dann habe ich mir Klattau angesehen. Ein wunderschönes Städtchen ist das,
mittelalterlich: quadratischer Stadtplatz mit imposantem Rathaus und
Jesuitenkirche. Die Dekanatskirche im Gässchen dahinter stammt aus dem 13. Jahrhundert. Im ›Schwan‹ habe ich zu
Abend gegessen: Tafelspitz und böhmische Knödel. Zum Nachtisch Liwanzen mit
Preiselbeeren.«
»Wenn du so weitermachst, setzt du Bauchspeck an«, knurrte Fanni,
»erspar mir das Frühstück und schwing dich zu Karel.«
Sprudel grinste. »Am nächsten Morgen bin ich nach Brezi gefahren,
das hieß früher Birkau. Kaum mehr als zehn Häuser, aber eine wildromantische
Burgruine auf einem Hügel …«
Fanni zischte angriffslustig.
»Mirzas Elternhaus habe ich an einem Nebensträßchen zwischen Brezi
und Cachrov gefunden. Ziemlich heruntergekommen, das ganze Anwesen. Der
ehemalige Gartenzaun liegt verrottet unter Wildwuchs. Die Dachrinne hängt nur
noch an einem Ende fest, das andere hat sich neben der Haustür in den Dreck
gebohrt, und dadurch ist ein kleiner Teich entstanden. Nein«, beeilte sich
Sprudel, wieder zur Sache zu kommen, »Karel habe ich nicht angetroffen. Der ist
erst später aufgekreuzt. Ich bin einfach ins Haus gegangen. Eine Klingel gab es
nicht, und die Tür war offen. In der Stube habe ich erst einmal gar nichts
gesehen, die Fenster sind alle blind. Gardinen braucht man da nicht.«
Fanni knuffte ihn in die Rippen.
»Nach einer Weile habe ich eine alte Frau auf einem Kanapee
entdeckt. Ich habe ihr geholfen, sich ein wenig aufzusetzen, und habe sie
gefragt, ob sie Mirzas Mutter sei. Sie war es. Aber sie konnte nur wenig
Deutsch. ›Mirza rieber ins Deitsche heiraten‹, hat sie gesagt, ›sähr glicklich.
Beckl gutes Mann. Betä immer für Beckl.‹ Mehr war nicht herauszuholen aus ihr.«
»Woher kennt die den Böckl?«, warf Fanni ein. »Die wird doch kaum
herauskommen aus ihrer Kate. Und glaubt die womöglich, Mirza hätte den Böckl
geheiratet?«
»Mich hat das auch stutzig gemacht«, sagte Sprudel. »Und noch etwas
hat mir zu denken gegeben. Offensichtlich wusste Mirzas Mutter nicht, dass
Mirza tot war. Auf der Kommode habe ich dann einen Stapel Briefe entdeckt, alle
ungeöffnet, die meisten mit dem Absender einer Behörde. Bevor ich aber dazu
kam, mir die Post genauer anzusehen, ist der Karel nach Hause gekommen. Das ist
mir ein Früchtchen, noch keine zwanzig, lästig und schäbig wie eine Bettwanze.
Er hat schon am Vormittag nach Schnaps gestunken. Als ich den Böckl erwähnt
habe, ist Karel schier ausgerastet. ›Die Sau hat Mirza über die Grenze
geschafft!‹, hat er gejault. Ich habe fast zwei Stunden gebraucht, bis ich
genug Sachdienliches von ihm erfahren hatte, um mir ein Bild machen zu können.«
Sprudel holte tief Atem, sprach aber gleich weiter. »Böckl kommt oft
in die Gegend von Klattau zum Jagen. Für ein paar Euroscheine kann er im
Tschechischen einen Was-weiß-ich-wie-viel-Ender abschießen. Einer seiner
Gastgeber hat Böckl mit Karel zusammengebracht, weil Karel mit den Jägern einen
ganz speziellen Handel betreibt. Auch Böckl hat dann mit ihm Geschäfte gemacht.
Gebrauchte Jagdmesser gegen Zigaretten, Jägerstiefel gegen Krimsekt, nichts
Illegales. Durch Karel hat der Böckl unsere Mirza kennengelernt.«
»Dann hat er sie damals gar nicht zufällig von der Straße
aufgelesen«, schnaubte Fanni. »Böckl
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