Saure Milch (German Edition)
Herd – schleppte sie
den Korb in die Garage. Stirnseitig standen dort die Tonnen aufgereiht: Restmüll,
Papier, Kunststoff. Über den Tonnen hatte Hans Rot an der rückwärtigen
Garagenwand ein Gitter befestigt, an dem allerlei Werkzeug hing.
Fanni öffnete die Papiertonne, ließ den Deckel krachend gegen die
Wand fallen und hob den Korb hoch, um dessen Inhalt in die Tonne zu leeren. Im
selben Augenblick brach die Garagenwand ein. Jedenfalls hörte sich das, was
passierte, für Fanni so an.
De facto hatte sich bloß das Gitter von der Wand gelöst und ließ
Sicheln, Gartenscheren, zwei Schraubenzieher und einen Hammer auf Fanni
herabregnen. Der Hammer streifte sie an der Schulter. Fanni ging in die
Knie – und krabbelte aus einem Impuls heraus hinter die Papiertonne. Diese
instinktive Aktion rettete sie vor der Axt, die nun ebenfalls herunterpolterte
und auf den offen stehenden Deckel traf, der Fanni wie eine Dachschräge
schützte. Der Axt folgte eine Handsäge, eine Maurerkelle und ein Fäustel. Dann
polterte das gesamte Gitter herunter. Danach Stille.
Endlich registrierte Fannis Hirn, was geschehen war, und folgerte sogleich
logisch, dass nach dem Gitter nichts mehr herunterkommen könne.
Sie kroch aus ihrem Versteck, richtete sich auf und sah sich Herrn
Praml gegenüber.
»Meine Güte, Frau Rot«, schnaufte der, »ich hab gedacht, Ihre Garage
stürzt ein.«
»Bloß das Gitter«, murmelte Fanni benommen.
Praml ließ den Blick über die umherliegenden Werkzeuge schweifen. Er
starrte eine Zeit lang auf das Gitter, an dem noch ein Knäuel Bindfaden hing,
dann musterte er die Garagenwand.
»Hing wohl zu viel Gewicht an den Schrauben. Die haben sich
gelockert, sehen Sie, Frau Rot?«
Fanni nickte bloß. Sie klopfte sich eine Spinnwebe von der Hose und
begann, die Werkzeuge in einer Ecke zusammenzutragen. Herr Praml bückte sich,
nahm die Axt auf, sah sie grübelnd an und legte sie dann auf den Werkzeughaufen.
»Da haben Sie aber Glück gehabt, Frau Rot.«
»Du lieber Himmel, Fanni!« Sprudel starrte sie an.
»Es ist ja nichts passiert«, winkte Fanni ab. »Und als Hans ein paar
Minuten später zum Essen heimgekommen ist, hat er gesagt, dass ich wieder einmal
selber schuld bin. Die Schrauben mussten sich ja irgendwann lockern, weil ich
immer die Deckel der Tonnen so an die Wand knallen lasse. Es sollte mir eine
Lehre sein.«
Sprudel schluckte, als wäre ihm der Kaffee sauer aufgestoßen,
schwieg aber. Erst nach einer Weile meinte er bedächtig:
»Ein mysteriöser Reifenplatten, ein Werkzeugregen mit ominöser
Ursache … und immer mischt Praml in der Szene mit. Man könnte auf den
Gedanken kommen, einen Zusammenhang herzustellen.«
Fanni lachte leise. »Ach, Sprudel, ist es nicht schon schwierig
genug, Fakten aufzuspüren? Für Hirngespinste haben wir echt keine Zeit.«
Sie nahm ihm den leeren Teller weg und gleich darauf die
Kuchengabel. Dann schenkte sie Kaffee nach und verlangte energisch: »Schieß
jetzt endlich los, hast du was herausbekommen in Tschechien? Wie lange warst du
dort? Hast du jemanden gefunden, der Mirza gekannt hat?«
Sprudel lächelte. »Wie wäre es, wenn ich alles der Reihe nach
erzähle?«
»Dann fang endlich mal an«, fauchte Fanni.
»Ich habe mich, gleich als ich angekommen bin, bei den Kollegen in
Klattau vorgestellt«, berichtete Sprudel. »Nachdem ich ihnen den ganzen
Sachverhalt erklärt hatte, verhielten sie sich ausgesprochen kooperativ. Sie
haben mir bestätigt, dass Mirza in Klattau registriert ist. Nein«, meinte er,
als Fanni zusammenfuhr, »nicht als Prostituierte. Mirza ist dort im
Geburtenregister und im Melderegister eingetragen. Polizeilich bekannt ist
Mirza in Klattau nicht. Ihr Bruder Karel allerdings schon. Er bekommt wegen
seiner Raufereien im Suff laufend Anzeigen an den Hals. Die Ausnüchterungszelle
ist sein zweiter Wohnsitz, sagen die tschechischen Kollegen. Aber ich habe mich
anfangs für diesen Karel überhaupt nicht interessiert. Wir haben uns ein wenig
unterhalten, die Kollegen und ich, über dies und über das. Der
Zigarettenschmuggel und die Vietnamesenmärkte sind zur Sprache gekommen und
auch das neueste Problem der Tschechen im Grenzgebiet: der Mülltourismus.«
»Mülltourismus«, wiederholte Fanni, und Sprudel sah wohl, dass sie
mit dem Wort nichts Rechtes anfangen konnte.
»Die Tschechen«, erklärte er, »haben entdeckt, dass Deutsche ihren
Müll neuerdings illegal in Tschechien entsorgen. Ganze Lastwagen voll
Sperrmüll,
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