Saure Milch (German Edition)
Vielleicht hatte sich
einer der beiden einfach in den Kopf gesetzt, seinen Nachbarn stärker auf
Abstand zu halten. Das ist der einfachste Weg, um Gezänk gar nicht erst
aufkommen zu lassen. Allerdings muss ich zugeben, dass Meiser in letzter Zeit
keine Gelegenheit ausließ, um über Böckl herzuziehen.«
Sprudel seufzte. »Man müsste den gesamten Erlenweiler Ring
verwanzen, um endlich herauszubekommen, was da alles läuft.«
»Na schön«, überwand sich Fanni, »dann versuche ich halt, in den
nächsten Tagen ein Gespräch mit Frau Kundler in Gang zu bringen. Stellt sich die
Frage, wie ich sie zu fassen kriegen soll. Ich kann ja nicht einfach bei ihr
klingeln. Vielleicht sollte ich das Stück Gartenzaun an der Straßenseite neu
streichen, dann stehe ich schon parat, falls Frau Kundler draußen auftaucht.«
»Tu das, Fanni«, sagte Sprudel, »aber gemächlich. Zaunstreichen geht
verflucht ins Kreuz.«
Er öffnete für Fanni die Autotür. »Treffen wir uns am Mittwoch? Ich
sehe mir inzwischen Kundlers Vernehmungsprotokoll noch mal an.«
Sie bestimmten für das nächste Treffen den Parkplatz »Wegmacherkurve«,
der an der Ruselbergstrecke lag. Von hier aus führte ein schattiger Wanderweg
via Bergwachthütte zum Dreitannenriegel.
Der Wagen von Hans Rot stand schon in der Zufahrt, als
Fanni dort einbog.
»Na«, rief Fannis Mann aufgeräumt aus der offenen Haustür, »wo ist
denn das gute Stück, an dem du schon seit zwei Wochen bastelst?«
Fanni öffnete den Kofferraumdeckel. Was hat er mir denn
einzugestehen, dachte sie dabei, weil er sich gar so jovial gibt heute?
Ausflugsfahrt der Kegelbrüder? Schützentreffen in Oberbayern? Zechtour von
Samstagfrüh bis Sonntagabend?
Fanni riss das Preisschild von dem Trockengesteck, das sie vor zwei
Minuten im Gartencenter an der Hauptstraße gekauft hatte, knickte schnell
einige der Kornähren um, die aus einem Moosnest ragten, und zerfledderte die
rosa Bastkringel, die an einem Efeuzweig entlangkrochen.
Als Fanni das Gesteck aus dem Wagen hob, stand ihr Mann schon
bereit, um es ihr abzunehmen. Er hielt es auf Armlänge von sich weg,
betrachtete es einen Moment, und die Kinnlade sackte ihm herunter.
»Meine Güte, Fanni, so was gibt’s doch in jedem Blumenladen, schöner
und ganz gewiss auch billiger.«
»Aber das hier ist selbst gemacht«, log Fanni dreist, »und hat
deshalb eine ganz eigene Ausstrahlung.«
Hans Rot brachte das Machwerk in den Wintergarten.
»Ich habe mich«, sagte Fanni zum Hinterteil ihres Mannes, als er
sich bückte, um den Tontopf (der dem Gesteck die nötige Standfestigkeit
verlieh) am Boden abzustellen, »gleich noch für den zweiten Teil des Kurses
angemeldet. In den nächsten zwei Wochen basteln wir Türkränze.«
Fannis Mann drehte sich nicht um. Er ärgert sich, dachte Fanni, aber
er wird kein Wort dagegen sagen, weil er selber was in petto hat.
Ganz konnte er es sich allerdings nicht verkneifen. »Ich sehe es
schon kommen, Fanni, es wird nicht lange dauern, dann liegt der ganze Plunder
auf dem Komposthaufen.«
»Kann gut sein«, murmelte Fanni.
»Am Wochenende ist Schützentreffen am Wendelstein«, sagte
Fannis Mann beim Abendessen.
Volltreffer, dachte Fanni.
»Ich hab wirklich nicht vorgehabt, hinzufahren«, beteuerte ihr Mann.
Er dachte wohl daran, wie er tags zuvor noch lauthals getönt hatte, er würde am
kommenden Samstag endlich die Steinplatten um den Gartenteich verlegen, die
schon seit zwei Sommern in einer Ecke der Garage gestapelt lagen.
»Aber«, erklärte er eifrig, »der Vereinsvorstand persönlich hat mich
heute früh im Büro angerufen. Die Schützen brauchen mich ganz dringend am
Wendelstein.«
»Aber natürlich«, sagte Fanni und verbiss sich das Lachen. »Wie
lange wirst du denn weg sein?«
»Von Samstagmorgen bis Sonntagabend.«
Als Fanni den Tisch abräumte, ging ihr Mann über die Straße und in
Meisers Garten.
»Auf ein Schwätzchen mit den Nachbarn«, hatte er Fanni nach dem
Essen mitgeteilt.
Sie machte die Küche fertig, schenkte sich Rotwein nach und
schaltete den Fernsehapparat ein. »Das Philadelphia-Experiment« war im Programm
angekündigt. Fanni kannte den Film schon, wollte ihn aber noch mal anschauen,
denn er hatte ihr vor Jahren recht gut gefallen. Sie kam nicht dazu, weil Leni
anrief und ihr begeistert von den Kongresstagen in Berlin erzählte. Leni ließ
Berlins Sehenswürdigkeiten an Fanni vorbeiziehen und beschrieb ihr jede
Mahlzeit, die sie während ihres Aufenthalts verspeist hatte.
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