Saure Milch (German Edition)
hatte die Mirza längst für den Bene
ausgesucht und schon alles mit ihr abgesprochen.«
»Glaube ich auch«, sagte Sprudel.
»Warum hat er dann dieses Theaterstück mit dem Straßenstrich
aufgeführt?«, fragte Fanni. »Er hätte doch ganz einfach sagen können: Du, Bene,
ich kenn eine, drüben im Tschechischen, die wär was für dich. Wir zwei, du und
ich, wir fahren am Sonntag nach Brezi, dann mache ich dich mit dem Mädel
bekannt, vielleicht wird was draus.«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, sagte Sprudel. »Ich
könnte mir allerdings vorstellen, dass Böckl ein Zusammentreffen von Karel und
Bene vermeiden wollte. Schau, Fanni, der Karel gibt ganz offen zu, dass er
seine Schwestern auf den Strich prügelt, wenn er pleite ist, und ich fürchte,
das kommt ziemlich oft vor. Nimm einmal an, Fanni, Mirza bringt eines schönen
Tages einen jungen Mann ins Haus, der zwar nicht recht hell ist im Kopf, aber
dafür einen Hof hat in Deutschland. Mirza verkündet, dass sie ihn heiraten und
weggehen wird aus Tschechien. Was macht Karel?«
»Er schlägt Bene zu Brei«, bot Fanni an.
»Könnte sein«, sagte Sprudel, »wenn er spontan handelt. Wenn er aber
nachdenkt, der Karel, dann ist er freundlich zum Bene. Sobald die Mirza mit dem
Bene verheiratet ist, besucht der Karel dann das Paar – wöchentlich. Deshalb hat es Böckl vorgezogen, eine Art Entführung zu
inszenieren. Das war gar nicht schlecht, denn dadurch konnte er nicht nur Karel
über Mirzas neues Heim im Unklaren lassen, sondern auch die vom Erlenweiler
über ihr bisheriges. Böckl wollte nicht Gefahr laufen, dass jemand bewusst oder
zufällig eine Verbindung zu Karel herstellt.«
»Wirklich geschickt«, meinte Fanni, »und es hat geklappt. Als die
Leute gehört haben, dass die Mirza vom Straßenstrich kommt, hat sich keiner
mehr für ihre Familie und für ihr Zuhause interessiert.«
Sie schwieg eine Weile und sortierte die Neuigkeiten. Auch Sprudel
war still.
»Karel«, sagte Fanni dann, »ist also schlecht auf Böckl zu sprechen,
weil der ihm Mirza und damit eine gute Einkommensquelle weggenommen hat. Glaubt
Karel, dass Böckl seine Schwester geheiratet hat?«
»Nein«, antwortete Sprudel, »Karel argwöhnt, Böckl hätte Mirza verkauft – das entspricht eher seiner Denkweise.«
»Kommt Karel auf unsere Verdächtigenliste?«, fragte Fanni.
»Nein«, sagte Sprudel.
Fanni wartete gespannt, und Sprudel ließ sie wieder zappeln.
»Es ging schon auf zwei Uhr nachmittags zu, als ich aus der Kate
herausgekommen bin. Weil so ein sonniger Tag war, habe ich noch einen kleinen
Spaziergang zur Burgruine gemacht. Die ist ganz mit Heckenrosen zugewachsen,
wie das Dornröschenschloss. Da kommt nie einer hin. Dann bin ich weiter nach
Cachrov gefahren und habe zu Mittag gegessen.«
»Böhmische Maultaschen und böhmisches Kraut, als Nachtisch böhmische
Nockerl mit böhmischen Heidelbeeren«, warf Fanni schnippisch ein.
Sprudel grinste. »Ich wollte mich noch ein wenig umhören. In einem
Dorfwirtshaus, da sitzt gern mal einer herum und plaudert vor Langweile dieses
und jenes aus.«
»Sind dir dann auch aufschlussreiche Geschichten serviert worden zu
deiner böhmischen Mehlspeis?«, fragte Fanni.
»Eine ganze Menge«, sagte Sprudel. »Nach der ersten Runde Schnaps
haben alle, die da waren, gleichzeitig losgelegt. Ich konnte nur das Wenigste
verstehen. Aber dreierlei habe ich aus dem Kauderwelsch herausgefiltert:
Erstens, der Karel ist ein Saufbold und ein Schläger. Gut, das wusste ich
schon. Zweitens, er ist stinksauer auf den Böckl, weil der die Mirza entführt
hat. Drittens, der Karel hat keine Ahnung, wohin Mirza verschwunden ist. Er
weiß wohl nicht einmal, dass sie inzwischen tot ist, weil er seine Post nicht
aufmacht. Aus drittens folgt, dass Karel als Täter nicht in Frage kommt.«
Fanni nickte. »Dieser Karel scheint ziemlich in den Tag
hineinzuleben. Er verteufelt zwar Böckl in Grund und Boden, hat sich aber
offensichtlich nie die Mühe gemacht, mit ihm noch mal Kontakt aufzunehmen und
herauszubekommen, was aus Mirza geworden ist.«
»Nun ja«, meinte Sprudel trocken, »die Einkommensquelle Mirza
versiegte plötzlich. Da tat Karel das Naheliegende. Er kümmerte sich um andere.
Am nächsten Morgen in Klattau«, fuhr er fort, »habe ich sogar noch
herausgefunden, wo Karel zur Tatzeit war. Schon als ich von Cachrov nach
Klattau zurückgefahren bin, ist mir wieder eingefallen, wie der Kollege tags
zuvor auf der Polizeistation darüber
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