Saure Milch (German Edition)
der
faul herum, der Holzkopf, und lässt die Stallarbeit warten. Um sechs ist
Feierabend für mich, Bürscherl, dann kannst du deine Milchkannen selber waschen.«
Bene stopfte sich den letzten Kuchenbrocken in den Mund und schlich
sich in den Stall.
Das muss die Hilfskraft sein, die Meiser für den Bene organisiert
hat, schoss es Fanni in den Kopf. Meine Güte, wo hat er denn die aufgetrieben,
auf dem Hexentanzplatz?
Die Hexe grollte und brummte vor sich hin, während sie die
Milchkammer aufschloss und die Bottiche, in die gleich die frisch gemolkene
Milch fließen würde, an das Kühlaggregat klemmte. Fanni konnte nicht anders,
sie musste die Frau anstarren.
Das Weib ist viel zu fett, dachte sie, um auf einem Hof von Nutzen
zu sein. Die geblümte Kittelschürze spannte sich um einen Hintern, der wie der
Natternberg aus der Donauebene aufragte, als sich die Dorfhelferin bückte. Aber
Muskeln hat sie, musste Fanni zugeben. Waden wie ein Radprofi und einen Bizeps
wie Max Schmeling.
Eine Walküre? Kaum. Die Dorfhelferin war nur wenig größer als Fanni,
und ihr Gesicht wirkte geradezu ausgezehrt. Die Nase sprang hervor wie –
bei einer Hexe.
»Da musst du nicht die ganze Zeit hingaffen, wenn die Maschine
melkt!«, schrie die Hexe in den Stall hinein, wo Bene zwischen den Kühen nicht
zu sehen war. »Da kannst du nebenbei schon Futter vorwerfen.«
Fanni ließ sich vom ersten Schwall frischer Milch einen Liter in
ihre Milchkanne abmessen und verdrückte sich schleunigst.
Mirza tot, der Alte weg, Bene auf sich allein gestellt und sowieso
nicht der Hellste, und dann noch dieses Monstrum auf dem Hof. Wenn der Teufel
Junge kriegt, dachte Fanni, dann gleich einen ganzen Haufen.
Meiser war aus dem Garten der Rots verschwunden, als Fanni
zurückkam. Hans Rot hielt schon Ausschau nach ihr.
»Man könnte glatt meinen, du hättest die Kuh eigenhändig gemolken,
so lange hat das gedauert. Kann aber nicht sein, weil du keine Ahnung davon
hast.«
Er folgte Fanni ins Haus. »Meiser und ich, wir haben gerade davon
geredet, was für eine Schweinerei da bezüglich Mirzas Beerdigung im Gange ist.
Der Fall ist klar, der Täter längst verhaftet, bloß die Mirza liegt immer noch
nicht unter der Erde. Dem Meiser ist da eine ganz gute Idee gekommen. Ein paar
der Nachbarn sollten gemeinsam einen Appell an den Staatsanwalt richten und von
ihm verlangen, dass die Leiche freigegeben wird. Es gibt nämlich überhaupt
keine triftigen Gründe, Mirzas Leiche weiterhin zurückzuhalten. Aber der Bene,
der ist ja viel zu dämlich, als dass er sich selber um so was kümmern würde.«
Fanni schwieg. Sie konnte ihrem Mann nicht darlegen, wie sich
Sprudel nach der Verhaftung des Alten dafür eingesetzt hatte, mit der Freigabe
der Leiche noch abzuwarten. Und erst recht konnte sie Hans Rot nicht wissen
lassen, auf wessen Einflüsterungen das zurückging.
Der Staatsanwalt hatte auf Sprudels Initiative hin beschlossen, die
Sache einfach auf die lange Bank zu schieben, solange niemand wegen Mirzas
Beerdingung anfragte. Dank Meiser und dank Hans Rot würde genau das nun
passieren.
Klugscheißer, Wichtigtuer – alle beide, giftete Fanni
innerlich. Sie biss die Zähne zusammen, denn sie konnte ihren Mann keinesfalls
sagen, wie sehr sie fürchtete, dass mit Mirzas Körper auch bisher übersehene
Spuren von Fremd- DNS in der Erde versinken könnten.
Hans Rot fuhr indessen fort: »Meiser trommelt gerade Nachbarn
zusammen, die das Schreiben an den Staatsanwalt unterzeichnen sollen. Wir
treffen uns alle um sechs bei uns im Garten. Du musst belegte Brote
herrichten.«
Fanni stellte ihre Milchkanne beiseite und sah ihn an. »Denkst du,
ich hab einfach so Wurst und Käse für zehn bis fünfzehn Personen im
Kühlschrank?«
»Dann lass dir was einfallen«, sagte Fannis Mann und begann damit, Stühle
aus dem Esszimmer nach draußen zu bringen.
Fanni starrte eine Weile die volle Milchkanne an, dann schüttete sie
ein Schlückchen von der Milch in eine Schüssel und setzte Hefeteig an. Während
die Hefe aufging, schnitt Fanni die Zwiebeln für den Zwiebelkuchen.
Zwei Stunden später legte Meiser das vorbereitete
Schreiben auf den Gartentisch, und alle waren sich einig, dass Mirza unter die
Erde musste.
»Der Bene hat keine Mirza mehr, so oder so«, versuchte Fanni einen
Vorstoß, »da ist es ihm egal, ob sie im Sarg liegt oder im Kühlfach.«
»Genau«, sagte Meiser, »der Bene ist nämlich ein Volltrottel, und
deshalb müssen wir Nachbarn dafür sorgen,
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