Saure Milch (German Edition)
Türgriff.
Sprudel nahm ihn ihr aus der Hand.
»Alles der Reihe nach beim Kaffee unter den Arkaden«, schlug er vor.
Fanni nickte.
»Ich habe«, berichtete Sprudel, bequem im Korbstuhl des
Straßencafés zurückgelehnt, »der jungen Frau vorgeflunkert, in einem Fall von
Fahrerflucht zu ermitteln. Ich habe einfach behauptet, dass am 9. Juni vormittags gegen zehn Uhr eine
Fahrradfahrerin auf der Straße nach Pfarrkirchen von einem weißen Mercedes
gestreift und leicht verletzt wurde und dass ein Unfallzeuge den Wagen
beschrieben und einen Teil der Autonummer angegeben hat. Exakt dieses Auto
steht jetzt gerade hier drüben, habe ich gesagt, und dann habe ich sie gefragt,
ob sie wohl wüsste, wem es gehört. Sie hat ein wenig hin und her überlegt, hat
sich dann offensichtlich für die Wahrheit entschieden und ist damit
herausgerückt, dass es sich um das Auto ihres Vaters handelt.«
»Vater!«, japste Fanni und bemühte sich vergeblich, den Begriff
logisch passend in dieses Spiel zu bringen.
Sprudel amüsierte sich drei Schluck Kaffee lang, bis Fannis
verwirrter Blick angriffslustig wurde. Da beeilte er sich zu erklären: »Die
Sache verhält sich so: Frau Rimmer, so heißt die Dame in dem Haus in Gern, ist
eine uneheliche Tochter von Kundler. Sie hat lange Zeit keinen Kontakt zu ihm
gehabt. Kundler hat allerdings regelmäßig Geld an ihre Mutter überwiesen.
Frau Rimmer hat ihren Vater erst vor ein paar Jahren kennengelernt,
als ihre Mutter starb. Er ist zur Beerdigung gekommen. Seitdem besucht er seine
Tochter und sein Enkelkind regelmäßig.
Er war am 9. Juni zwischen
halb zehn Uhr und sechzehn Uhr hier in Gern, sagt Frau Rimmer. Das Auto stand
wie immer unter der Kastanie und kann deshalb nicht in diesen Unfall verwickelt
gewesen sein. Eine klare Aussage. Ich habe mich höflich bedankt und den Rückzug
angetreten.«
»Und dann, du warst schon fast aus der Tür«, sagte Fanni, »hat sie
dich gebeten, das Gespräch möglichst vertraulich zu behandeln, weil Frau
Kundler nämlich nichts von einer unehelichen Tochter weiß und folglich auch
nichts von den Besuchen.«
»Richtig, Miss Marple«, grinste Sprudel und biss in ein
Nusshörnchen.
Er kaute ausgiebig, schluckte, spülte Kaffee nach und sagte dann:
»Frau Rimmer hat allerdings noch hinzugefügt, dass ihr Vater seiner
Frau die ganze Geschichte gerne beichten würde. Er traut sich aber nicht, weil
Frau Kundler herzkrank ist und keiner wissen kann, wie sie auf eine solche
Eröffnung reagieren würde.«
»Ja«, sagte Fanni, »Frau Kundler wurde vorzeitig pensioniert wegen
ihrer Krankheit.«
Die Kaffeetassen waren leer. Es war noch nicht Mittag.
»Wer seine Aufgaben flott erledigt«, meinte Sprudel, »der gewinnt
Zeit fürs Vergnügen. Was hältst du von einem Abstecher nach Burghausen zur Burg
und dann weiter zum Abtsee?«
Fanni strahlte.
»Frau Rimmer hat mit ihrer Aussage Kundler glatt und
sauber von unserer Verdächtigenliste gewischt«, begann Fanni, als sie auf einem
schmalen Weg am See dahinwanderten.
»Fanni«, warnte Sprudel, »er ist nicht das einzige Eisen, das wir im
Feuer haben! Kundler ist erledigt. Schön! Dann kommt eben Meiser dran.«
Er hob die Hand, als Fanni den Mund aufmachte, und kam ihr zuvor.
»Ich weiß, Meiser ist so unverdächtig wie ein Kirschkern. Trotzdem – und
sei es bloß der Ordnung halber –, wir überprüfen ihn. Wenn wir zu dem
Ergebnis kommen, dass Meiser als Täter nicht in Frage kommt, dann fangen wir
wieder bei Böckl an oder wir erweitern unsere Liste.«
Fanni nickte zwei-, dreimal, dann bückte sie sich, hob einen Stein
auf und pfefferte ihn in den See. »Wir geben nicht auf, bis wir ihn haben, den
Mörder von Mirza!«
»Den Kerl, der zu einer Gefahr für Fanni Rot wird«, murmelte Sprudel
leise, und dann fragte er laut: »Was weißt du denn alles über Meiser? Erzähl
mir von ihm, von seinen Vorlieben, seinen Eigenarten. Versuchen wir einfach
mal, uns an ihn heranzutasten.«
»Meiser ist mit Vorliebe hilfsbereit«, sagte Fanni, »der hilft dir
schon, da weißt du selber noch gar nicht, was du eigentlich tun willst.
Meistens wuselt seine Frau hinter ihm her und assistiert ihm. Ab vier oder fünf
Uhr nachmittags klappt es allerdings nicht mehr so recht mit der
Zusammenarbeit. Um diese Zeit wird Frau Meiser meistens fahrig und
unkonzentriert. Es ist schon am Vormittag nicht einfach, sich mit ihr zu
unterhalten. Sie ist vollständig und ausschließlich eingefahren auf vier Dinge:
Ehemann, Haus, Garten,
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