Saure Milch (German Edition)
Verdächtiges und machte das Licht wieder aus. Dann
zog sie sich am Fensterbrett hoch und schlängelte sich hinaus.
Als Fanni wieder in Böckls Zufahrt auftauchte, bog Böckls Wagen dort
ein.
»Gut, dass ich die Flinte von unserem Förster zu Hause vergessen
habe«, sagte er, »sonst hätte ich Ihren Besuch verpasst, Frau Rot.«
»Ich«, schluckte Fanni, »ich wollte Sie nicht besuchen. Ich wollte
mir bloß Ihre Steine anschauen. Die hier, in Ihrer Zufahrt. Ich wollte sehen,
wie sie verlegt sind. Bei uns bröckelt nämlich immer der Zement aus den
Zwischenräumen.« Fanni bückte sich und kratzte mit dem Fingernagel zwischen den
Pflastersteinen herum. »Ihr Pflaster ist so fugenlos verlegt, da kann gar
nichts herausbröseln«, sagte sie, richtete sich wieder auf und wandte sich dem
Heimweg zu.
»Sie haben wohl schon damit angefangen, die Platten in Ihrer Zufahrt
auszugraben?«, fragte Böckl und grinste Fanni an.
Sie sah an sich hinunter. Über Hose und Pullover zogen sich kreuz
und quer schwarze und graue Streifen. Auf dem rechten Schuh klebte eine
Spinnwebe und auf dem linken ein ominöser gelber Klumpen. Fanni machte sich
davon.
5.
»Vielleicht lügen sie alle«, sagte Sprudel einen Tag
später in einem Café an der Straße nach Passau. Es war Dienstag, der 5. Juli. Die Einkäufe, hatte Fanni
beschlossen, müssen bis Mittwoch warten.
Fanni und Sprudel hatten vorgehabt, an diesem Nachmittag durch die
Isarauen zu streifen. Sie hatten Autotür an Autotür unter einer Brücke geparkt
und waren drei Schritte gelaufen, als der Regenguss kam, der sie wieder
vertrieb. Fanni hatte ihren Wagen einfach stehen lassen und war bei Sprudel
zugestiegen. Weit hinter der Stadtgrenze, am linken Isarufer, entdeckten sie
das Café. Und da saßen sie jetzt wie Feriengäste aus Hamburg.
»Heute Morgen bei Mirzas Beerdigung habe ich sie mir angeschaut, die
ehrbaren Leute von Erlenweiler.«
»Du warst da?«, unterbrach ihn Fanni. »Ich hab dich gar nicht
gesehen.«
»Ich war hinter den Büschen versteckt«, grinste Sprudel, »wie im
Kino. Der Kriminalkommissar beobachtet klammheimlich, kombiniert scharfsinnig
und löst bravourös den Fall.«
»Und was ist dabei herausgekommen?«, erkundigte sich Fanni.
»Eine Bestandsaufnahme«, sagte Sprudel.
Fanni wartete auf mehr.
»Sie sind alle einträchtig am Grab gestanden, die Nachbarn der
Kleins, in ihren schönen schwarzen Anzügen, und jeder von ihnen hielt unter dem
Sakko eine Kleinigkeit verborgen.«
Fanni wartete, und Sprudel begann aufzuzählen. »Kundler versteckt
Tochter und Enkel hinter einem Haufen Lügen. Böckl betreibt einen schwunghaften
Grenzhandel mit Zigaretten und mit Waffen, hart am Rande der Legalität, und tut
so, als würde er bloß ab und zu ein Schnäpschen herüberbringen. Böckl ist ein
Schlitzohr. Vielleicht handelt er wirklich mit Frauen, und Mirza war nicht die
Einzige, die er verkuppelt hat.«
Fannis Kaffeetasse klirrte entrüstet.
Sprudel hob die Hand. »Ich weiß, was du sagen willst. Böckl wollte
Bene helfen, und er wollte Mirza helfen. Böckl ist einer von den Guten! Das glaubst
du, aber wissen kannst du es nicht, und deshalb ist Böckl verdächtig, sehr
verdächtig sogar.«
Fanni nickte ihr Einlenken, weil man sich bei der
Verbrechensaufklärung an Tatschen halten musste und nicht an Gefühle. Dass
Böckl die Tatwaffe nicht in seinem Keller hatte, besagte gar nichts, und dass
er heute nach der Beerdigung eine große Portion von Fannis Sympathie gewonnen
hatte, das machte ihn ebenso wenig zum Unschuldslamm.
»Erstaunlich, dass Mirzas Leiche von der Staatsanwaltschaft
freigegeben worden ist«, hatte Böckl auf dem Weg vom Friedhof zum Kirchplatz,
wo die Autos geparkt waren, zu Fanni gesagt. »Damit hätte ich nicht gerechnet.
Solange keine Anklage erhoben ist, lässt sich die Polizei doch nicht die Quelle
sämtlicher Spuren einbuddeln, würde ich meinen.«
»Meiser hat sich dafür ins Zeug gelegt«, hatte ihn Fanni aufgeklärt,
»er hat bei den Nachbarn Unterschriften für die Freigabe von Mirzas Leiche
gesammelt.«
»Hat der Meiser geglaubt, der Staatsanwalt will Mirza behalten, als
Trophäe für sein Wohnzimmer?«, hatte Böckl darauf gesagt. »Der hätte Mirza
schon irgendwann freigegeben, und ihr ist es vermutlich egal, ob sie im
Kühlfach liegt oder unter den Hängefuchsien.«
Sie waren inzwischen am Kirchplatz angekommen, und Fanni hatte
gesehen, dass ihr Mann bereits im Wagen auf sie wartete. Sie hatte sich deshalb
eilig von Herrn
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