Sautanz (German Edition)
selbst vor.
»I bin die Martina. I arbeit in Langebichl im Greißlerladen . Da hab i den Georg auch kenneng’lernt. Wie er ganz unbeholfen vor an Regal g’standen is. Weil ihn sei Frau wegen an andern –«
»Geh, hör auf, des interessiert ja kan!«, versuchte Georg seine neue Flamme zu unterbrechen.
»Ich find das wahnsinnig spannend«, sagte Dorli.
Georg fauchte sie an. »Lass mi in Ruah, es geht di an Dreck an.« Und zu dem Mädchen: » Hock di wieder hin, i kumm glei.«
»Hast recht, geht mi nix an«, entgegnete Dorli. »Aber wenn i du wär, dann würd i schauen, wie ich ganz schnell wieder Arbeit kriegen könnt, versuchen, das verzockte Geld irgendwie abzustottern und deine Ehe zu retten. Wenn du es allein net schaffst, dann mach a Therapie. Aber immer den andern die Schuld geben und selber gleich wieder auf Aufriss, das is ja wohl das Letzte.«
»Wieso sitzt du auf so an hohen Ross? Hast du noch nie was verbockt?«
»Doch, aber ich hab immer versucht, es wiedergutzumachen. Du machst es nur schlimmer.«
»Du mit deiner Altweiber-Psychologie. Lass mi do in Kraut !«
»Du bist und bleibst a faule Sau, die sich im Selbstmitleid suhlt. Und deine neuen Freunde helfen dir dabei? Na viel Vergnügen.«
Dorli wandte sich an das Mädchen, das mit eingezogenem Kopf an den Tisch zurückgekehrt war.
»Viel Spaß mit meinem Bruder. Passen S’ auf, dass S’ ihn nicht zornig machen. Er haut gern hin.«
Georg ballte die Fäuste, beherrschte sich aber. Im selben Moment trat Leo Bergler von hinten an Dorli heran.
»Ah, Dorli, da sind Sie ja!«
»Hallo Herr Oberleutnant. Schön, Sie wieder einmal zu sehen.«
Sie zog ihn weiter in den nächsten Raum. Sie wollte nicht die ganze Zeit ihren verdammten Bruder im Blickfeld haben.
Leo Bergler sah aus, als wäre er eben einem Werbefolder für exquisite Kleidung junger Überflieger entstiegen. Anthrazitfarbener Anzug, hellgraues, silber changierendes Hemd, ebensolche Krawatte dazu, Ton in Ton. Sogar ein passendes Stecktuch lugte aus seiner Sakkotasche. Sein blondes Haar war wie immer ordentlich gestutzt, frisch gewaschen und fiel locker in seine Stirn. Dazu hüllte ihn der Duft eines dezenten, aber sehr frischen Aftershaves ein. Ob er wohl selbst für seine Kleidung sorgte? Oder war er verheiratet, und seine Frau legte jeden Morgen seine Klamotten für den nächsten Tag heraus, weil er sonst wieder das Zeug vom Vortag anzog? Und was geht dich das an, Dorli?
»Sie haben übrigens eben die Crème de la Crème der Altnazis und ihrer Anhänger aus der Gegend gesehen. Leider gehört mein Bruder jetzt anscheinend auch zu dem elitären Verein.«
»Die Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen.« Leo Bergler lächelte sein Sonnyboy-Zähnefletsch-Grinsen.
»Wie wahr!« Dorli seufzte. Warum konnte ihr Bruder nicht so sein wie der smarte Kommissar?
Als sie Leo Bergler das Kuvert überreichte, zog er die Blätter heraus. »Was ist das?«
»Eine ziemlich lückenlose Dokumentation über jahrelangen Menschenschmuggel bei der Spedition Transalpin.«
Leo Bergler schüttelte den Kopf. »Meine Herren! Die haben ja wirklich alles aufgezeichnet. Wie kommen Sie denn an das Zeug?«
»Das wollen Sie gar nicht wissen.«
»Sie haben gar keine Ahnung, was ich alles wissen möchte.« Er grinste sie spitzbübisch an. »Ich hoffe, Sie haben dafür keine kriminelle Handlung begangen.«
Dorli fühlte, wie sich ihre Wangen röteten. Aber eigentlich hatte sie die Papiere ja nicht gefunden. Damit hatte sie in der engeren Auslegung nichts angestellt. Na ja, Bergler würde das wohl anders sehen.
»Ich doch nicht!« Sie versuchte, ihre Stimme bestimmt klingen zu lassen.
Bergler lachte. »Sie sollten vor dem Spiegel trainieren, wenn Sie schwindeln wollen.«
Er stopfte die Papiere wieder in das Kuvert, faltete es und steckte es in seine Rocktasche. »Warum haben Sie das nicht dem Zoll übergeben?«
»Habe ich. Aber wir wissen doch beide, wie oft in solchen Fällen die Behörde mitspielt und wegschaut. Ich wollte nicht, dass das irgendwo unterwegs in einer Lade verschwindet.«
»Okay, verstehe. Woran sind Sie denn grad dran?«
Dorli versuchte möglichst unschuldig dreinzuschauen.
»Keine Chance!« Er schüttelte den Kopf. »Sie sehen aus wie das personifizierte schlechte Gewissen.«
»Na gut, Leo. Sie haben gewonnen.« Dorli legte die Karten auf den Tisch und erzählte Bergler alles, was sie über den Fall Smekal erfahren hatte. Nur ihren Einbruch bei der Transalpin ließ sie unter den
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