Sautanz (German Edition)
Anschuldigungen sehen. Doch es gab keine. Vermutlich war der Kerl so abgebrüht, dass ihn so kleine Nadelstiche von unbedeutenden Menschen wie ihr nicht einmal im Entferntesten berührten. Sie beschloss, ihre Erkundigungen aufzugeben, das Grundstück zu verlassen und Lupo anzurufen. Vielleicht hatte er eine Idee, was sie weiter unternehmen sollten.
Sie drehte sich um und schrie leise auf. Hinter ihr stand ein Riese. Und während sie noch überlegte, wie lang er sie wohl schon beobachtete, krachte etwas auf ihren Hinterkopf. Kurz fuhr die ganze Gegend Karussell, dann gingen die Lichter aus.
50
Leo Bergler meldete sich dreißig Minuten später. Lupo kamen sie wie eine halbe Ewigkeit vor.
»Was dauert denn da so lang, ein Handy zu orten?«
»Guter Mann, wir sind nicht CSI Miami. Und es gibt auch noch so etwas wie einen Amtsweg, der eingehalten werden muss.«
»Darauf geschissen! Haben Sie sie gefunden?«, schrie Lupo ungeduldig ins Telefon.
»Nein. Das Handy ist ausgeschaltet. Aber zuvor hat es sich in Eichbüchl eingeloggt. Dorli war also definitiv dort.«
»Sie dreht doch nicht ihr Handy ab!«, rief Lupo aus. »Noch dazu bei so einem heiklen Einsatz.«
»Da sind wir ausnahmsweise mal einer Meinung. Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich such mir eine Handvoll Leute zusammen und komme zu Ihnen. Wenn möglich, blockieren Sie die Ausfahrt des Grundstückes so, dass es niemand verlassen kann. Und bitte keine Alleingänge. Es reicht, wenn ich einen von euch suchen muss.«
»Na klar. Hacken S’ nur auf mir rum. Als könnte ich was dafür, dass die Dorli da allein rein ist. Ich dachte, sie ist im Gemeindeamt. Aber Sie wussten, dass sie hier ist und es wieder nicht lassen kann, Miss Marple zu spielen.« Und er hätte es auch gewusst, würde er immer seine SMS lesen. Das schlechte Gewissen bescherte ihm noch mehr Magenschmerzen.
»Für Schuldzuweisungen haben wir jetzt keine Zeit. Ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen.«
Bis dahin konnte Dorli längst tot sein. Er musste sie finden! Was würden die Kerle mit ihr anstellen, wenn sie ihnen auf die Schliche kam und auf ihren Nerven herumtrampelte? Dorli war zuzutrauen, dass sie dem Bergmann einfach an den Kopf geworfen hatte, dass sie ihn für einen Mörder hielt. Und wenn er nicht wusste, dass sie gar nichts gegen ihn in der Hand hatte, musste er sie zwangsläufig aus dem Verkehr ziehen, wenn er unbeschadet aus der Geschichte herauskommen wollte. Dass Dorli schon tot war, glaubte Lupo nicht. Mit den heutigen Methoden der Spurensicherung war ein Tatort relativ sicher nachzuweisen, auch wenn man als Laie gar nichts erkennen konnte. Und das wusste dieses Lumpenpack sicher auch. Eher hatten sie Dorli betäubt, hielten sie irgendwo im großen Haus verborgen und würden sie vermutlich in der Nacht davonschaffen. Vielleicht aufs Boot, und mitten auf dem Meer ging sie dann mit Betonpatscherln über Bord.
Lupo schüttelte den Kopf. Er musste seine tiefschwarze Phantasie einbremsen. Sonst drehte er durch. Dorli, wo bist du schon wieder?
Bald darauf kam ein Polizeiwagen angebraust. Leo Bergler, die Dame von der Stadtpolizei in Wiener Neustadt, die sie bei Lukas Smekals Verhör in Empfang genommen hatte, und zwei ziemlich grüne Jungs, vermutlich frisch von der Polizeischule.
Oh Gott! Und mit dieser kümmerlichen Truppe sollten sie gegen die kriminelle Bande antreten?
51
Dorli erwachte mit einem ordentlichen Brummschädel. Die Welt schwankte unerträglich. Es war zappenduster. Sie versuchte sich aufzurichten und knallte mit dem Kopf gegen Blech. Das tat höllisch weh. Ihr war übel, und der Kopf schmerzte auch schon ohne Rums an der niedrigen Decke. Verdammt, wo war sie? Als Nächstes registrierte sie, dass von unten Rollgeräusche kamen. Sie tastete den Boden rund um sich ab und stellte fest, dass sich unter ihr eine Art Teppichboden befand. Gleich darauf wurde sie auf die andere Seite geworfen. Und da endlich begriff sie, dass sie im Kofferraum eines fahrenden Autos stecken musste.
Ihr schöner Plan hätte nicht mehr aus dem Ruder laufen können. Keine neuen Erkenntnisse, dafür gefangen und auf dem Weg in eine vermutlich ziemlich ungemütliche Zukunft. Wohin würden die sie bringen? Und dann? Sollte sie ermordet werden?
Ich hätte Lupo doch anrufen sollen. Bergler wird gar nix tun, und Lupo weiß wahrscheinlich noch nicht einmal, wo ich war, als ich entführt wurde. Gott, er ahnt nicht einmal, dass ich entführt wurde! Wer weiß, wann er das nächste Mal sein Handy braucht
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