Savannah
und Pres wandte schnell seinen Blick ab. Er ärgerte sich über die Gefühle, die er plötzlich empfand, und fühlte sich wie Lazarus, der schon im Grab gelegen hatte und plötzlich zum Leben erwacht war. Pres hatte seine Gefühle systematisch unterdrückt und abgetötet und er wollte, dass es auch weiter so blieb und er nicht von Empfindungen gestört wurde. Pres schaute Jacob an, der an seiner Lieblingsstelle vor dem Kamin stand. Er hielt zwar seine Pfeife in der Hand, aber die hatte er nicht angezündet, da Miss June es nicht mochte, wenn in ihrer Gegenwart geraucht wurde. Natürlich lehnte sie auch harten Alkohol aufs Schärfste ab, aber es war bekannt, dass sie in Gesellschaft manchmal ein Gläschen Holunderbeer-Wein trank.
Pres konzentrierte sich wieder auf seine eigenen Probleme. Er hielt sich selbst für einen ausgezeichneten Checker-Spieler, doch in Jacob McCaffrey hatte er seinen Meister gefunden. Nun besaß er nichts mehr, was ihm gehörte, außer der abgeschabten Arzttasche, die sein Vater ihm vermacht hatte. Selbst die Kleidung, die er auf dem Leib trug, gehörte jemand anderem, - denn seine eigenen waren auf mysteriöse Weise verschwunden und vermutlich in Miss Junes Küchenherd verbrannt worden. Er hatte kein Geld mehr und kein Billett für die Kutsche, die pünktlich in Springwater angekommen war. Der Kutscher hatte eine herzhafte Mahlzeit erhalten, während Jacob und Toby frische Pferde eingespannt hatten. Bis zu dem Moment, in dem die Kutsche rumpelnd losgefahren war, hatte Pres die Hoffnung gehabt, der Stationsmeister würde ihm sein Billett zurückgeben, damit er Springwater verlassen konnte, um sein Glück woanders zu versuchen. Stattdessen hatte McCaffrey eine große Show daraus gemacht, den Fahrschein vor den Augen des Doktors in kleine Fetzen zu zerreißen, die er dann in die Jauchegrube warf. Damit war Dr. Pres Parrish endgültig in Springwater gestrandet.
Pres stand vom Ti sch auf. Er war aufgeregt und brauchte Bewegung. Er durchquerte die Halle von einem Ende zum anderen, lief wieder vor und zurück. Er ähnelte einem nervösen Pferd, das eine Lücke im Zaun suchte, durch das es in die Freiheit entkommen konnte. Inzwischen war Savannah gegangen und zugleich war dieses freudige Gefühl verblasst, das sie in ihm auslöste. Gut, dass sie endlich weg war. Die Kinder, Emma, Christabel und Toby, spielten vor dem Haus ein lautes Spiel. Dass Kinder immer so laut sein mussten! Miss Miranda Leebrook und ihr Baby schliefen endlich, nachdem die Mutter den ganzen Tag über unruhig gewesen war und das Baby dauernd gequengelt hatte. Miss June stand wieder am Herd und war vollkommen damit beschäftigt, das Abendessen für all die Leute zuzubereiten, die in ihrem Hause lebten—und nichts bezahlten. Viele andere Stationsmeisterinnen hätten sich in diesem Fall geweigert, auch noch für solche >Gäste< zu kochen, aber für Mrs. McCaffrey schien es keine größere Freude zu geben, als ein großes Haus zu versorgen.
»Nur gut, dass wir keinen Teppich haben«, bemerkte Jacob nach einer ganzen Weile. Er verzog keine Miene, nur in seinen Augen zeigte sich eine Spur von Belustigung. »So wie Sie auf und ab laufen, hätten Sie schon längst ein Loch in den Teppich getreten.«
Pres blieb stehen und stemmte verbittert die Fäuste in die Taille. »Haben Sie vielleicht eine bessere Idee, was ich in meiner Lage tun könnte?«
Jetzt lächelte Jacob tatsächlich, aber nur so kurz, dass Pres sich fragte, ob er sich das nicht nur eingebildet hatte. »Ja, ich habe tatsächlich eine bessere Idee. Sie könnten zur Hütte der Johnsons reiten und sich um Grannys Rheuma kümmern. Miss June sagte mir, dass die alte Frau Tag und Nacht darunter leidet.«
Rheuma! Und das nach den schrecklichen Dingen, die er auf beiden Seiten im Krieg miterlebt hatte, die entsetzlichen Folgen der sinnlosen Schlachten, die er gesehen hatte. Und jetzt sollte er sich mit dem Rheumatismus einer alten Frau beschäftigen. Das konnte doch nur als Witz gemeint sein. »Heiße Umschläge«, knurrte er. »Sie braucht nur heiße Umschläge - und vielleicht ein klein wenig Laudanum.«
»Wenn aber ein richtiger Doktor sie besuchen würde, könnte das Grannys Besserung wesentlich beschleunigen«, fuhr Jacob ungerührt fort, als hätte er gar nicht gehört, dass Pres bereits eine Behandlung für das Leiden der alten Frau vorgeschlagen hatte. »Es wäre doch sicher einen Versuch wert, denn die Psyche eines Menschen spielt ja bei der Behandlung eine große
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