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Saving Phoenix Die Macht der Seelen 2: Roman (German Edition)

Saving Phoenix Die Macht der Seelen 2: Roman (German Edition)

Titel: Saving Phoenix Die Macht der Seelen 2: Roman (German Edition)
Autoren: Joss Stirling
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mich. Ich klemmte mir den Packen unter den Arm und ging in die Richtung, in die sie gezeigt hatte. Ich war zwar ziemlich sicher, dass sie sich nicht mehr daran erinnern würde, dass ich das Namensschild von Ann Peters bereits genommen hatte und sie sein Fehlen auf einen Irrtum zurückführen würde, aber für alle Fälle wollte ich doch lieber mein Erscheinungsbild ändern. Ich huschte aufs Damenklo und band mir das Haar mit einem braunen Schal hoch. Dann setzte ich meine Lieblingsbrille auf, die mir mit ihrem dicken schwarzen Gestell einen intelligenten Gesichtsausdruck verlieh. Ich war darauf bedacht gewesen, ganz anders auszusehen als gestern, und hatte ein weißes Langarmshirt, eine Strickjacke und einen altbackenen Rock angezogen, die Schuhe mit den dicken Gummisohlen rundeten den Fashion-Desaster-Look schließlich ab. Meine Ohrringe hatte ich herausgenommen. Zum Schluss drehte ich das papierne Namensschild um und schrieb Wendy Barrie auf die Rückseite, der erste Name, der mir in den Sinn gekommen war. Ich wollte auf keinen Fallauf die echte Ann treffen und ihren Namen um meinen Hals haben. Ich musterte mich im Spiegel und befand, dass ich als eine vollkommen andere Person durchging: Wendy, die hässliche Schwester von Cinderella, die ihren Schuh verloren hatte.
    Und trotzdem, das Make-up musste noch runter. Ich setzte die Brille ab, drehte das Wasser auf, wusch mir die Schminke ab und tupfte mein Gesicht mit einem Papierhandtuch trocken. Jetzt war mein Gesicht nackt. Sogar ich konnte sehen, dass ich ohne Mascara oder Eyeliner verletzlicher und müde aussah. Ich hatte seit vierundzwanzig Stunden kein Auge zugetan und seit zwölf Stunden nicht mehr als einen Schluck Wasser zu mir genommen. Ich musste den Auftrag schnell erledigen oder ich wäre nicht mehr fit genug für einen erneuten Versuch. Mir war jetzt schon klar, dass der Seher enttäuscht sein würde; mein Opfer hatte nicht ausreichend Zeit gehabt, seine Sachen zu ersetzen, und so wäre alles, was ich ihm heute abknöpfen könnte, seine Brieftasche und ein Reisepass – wenn ich Glück hatte. Mein Selbstvertrauen war ordentlich angeknackst. Ich konnte nicht vergessen, dass der Junge gestern meine Paralysierungsattacke abgewehrt hatte; jetzt, da er wusste, womit er rechnen musste, würde ich womöglich nicht mal mehr die paar Sekunden Zeit-Stopp rausschlagen können. Aber ich musste ihm irgendetwas abnehmen, ansonsten würde ich verdursten und diese Vorstellung ließ mich höchst konzentriert bei der Sache sein.
    Ich holte tief Luft, um meine flattrigen Nerven zu beruhigen, zog den Übersichtsplan vorne auf dem Konferenzprogrammzurate und stiefelte dann los in Richtung Bibliothek. Hier konnte ich in aller Ruhe die Konferenzbesucher ausspionieren. Ich fand ein ruhiges Plätzchen in der Umweltrechtsabteilung, zog ein Buch aus dem Regal und stellte es aufgeschlagen vor mich hin, eine Barriere gegen den Rest der Welt. Ich hatte eine gute Sicht auf das Geschehen – ich konnte den Innenhof sehen, wo das Café ein gutes Vormittagsgeschäft mit Kaffee und Croissants machte, und auch die Ausstellung, die sie sich alle ansehen sollten.
    Mein knurrender Magen sagte mir, dass ich hungrig war, aber der kleine Wurm in meinem Hirn warnte mich vor dem Essen.
    Wie fühlte sich das wohl an, fragte ich mich beim Anblick der sich in der Sonne scharenden Studenten, wenn einem derartige Möglichkeiten offenstanden – Reisen, Freundschaften, Bildung? Die Mädchen, mit denen ich auf dem Baugelände gesprochen hatte, zogen durch mein Blickfeld wie Gazellen in der Steppe, schlank und elegant. Sie gehörten einer anderen Spezies an als ich, erhabene Wesen, die keine Ahnung hatten, was für Glückspilze sie waren. Es gab auch eine Reihe von Elefanten, tollpatschige Jungs, die nicht wussten, wohin mit ihren Gliedmaßen oder wie sie ihren Bücherstapel tragen sollten; von ihnen fühlte ich mich ein bisschen weniger eingeschüchtert. Ein zierlicher Asiate stakste durch die Menge, ein Schreitvogel am Wasserloch, der hier und da etwas aufpickte. Und dann kam der Leopard, streifte umher mit den geschmeidigen Bewegungen einer großen Katze, schüttelte sich lässig seinen Rucksackvon der Schulter. Ich hatte unbewusst die Luft angehalten und ließ sie jetzt entweichen. Meine Zielperson. Er setzte sich neben die Gazellen und die Blonde gab ihm einen Bissen von ihrem Croissant ab. Sie schwatzten und lachten, verhielten sich total unbefangen. Wie schlossen Leute so schnell Freundschaft?
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