Saving Phoenix Die Macht der Seelen 2: Roman (German Edition)
schüttelte mich. »Ist mir scheißegal, wen du für deinen Vater hältst, aber ich will nicht, dass du dir selbst wehtun musst. Also hör auf, dich wie eine Idiotin zu benehmen. Du musst dich vor dem Seher rechtfertigen und darfst jetzt keinen Nervenzusammenbruch kriegen.«
Ich wusste, dass er recht hatte. Wie auch immer die Wahrheit aussah, ich musste sie beiseiteschieben und verbannen und mich später darum kümmern, wie ich es mit vielen anderen Dingen hier tat. »Okay, okay. Gebt mir eine kurze Verschnaufpause.« Ich holte tief Luft. Ein kluges Mädchen würde versuchen, aus dieser Neuigkeit einen Vorteil zu schlagen, und nicht die Nerven verlieren. »Also, wenn ihr ... ihr wisst schon ... seid ihr dann etwa meine Brüder, oder was?«
Unicorn schnaubte verächtlich. »Halbbrüder, aber das ist nicht viel mehr als ein biologischer Zufall, also kein Grund, deswegen ein Fass aufzumachen.«
»Ja, genau, und hast du schon mal gesehen, wie sich Vogelbabys im Nest verhalten?« Dragon grinste und zeigte mir seine schiefen Zähne. »Wenn du uns in die Quere kommst, fliegst du schneller über den Rand des Nestes, als dir lieb ist.« Er schlug mir auf den Rücken und setzte mich so torkelnd in Bewegung.
Okay, damit war die Sache klar: Meine Vielleicht- oder Vielleicht-auch-nicht-Brüder hatten kein großes Interesse an mir, sondern lediglich Angst, dass es ihnen ähnlich ergehen könnte, wenn mir etwas Schlimmes passierte.
Wir kamen beim Seher an, der draußen vor seiner Wohnungstür stand. Die anderen Savants waren noch immer unten auf dem Spielplatz versammelt, von seinem Blick gebannt. Als er unsere Schritte hörte, drehte er sich zu uns um und seine blassen blauen Augen, zwei winzige Edelsteine in einem glänzenden, fettgepolsterten Gesicht, erfassten mich. Ich verspürte sofort das altbekannte Kribbeln, als er mein Gehirn nach meiner Ausrede durchforstete. Zur Abwehr überschwemmte ich meinen Geist mit Kummer darüber, dass er womöglich mein Vater war, etwas, was selbst ihn aus dem Konzept bringen sollte. Er brach die Verbindung mit einem Lächeln ab – die Sorte von Lächeln, die Dracula aufsetzt, bevor er seine Zähne in eine Ader schlägt.
»Unicorn, verteile die Aufgaben für morgen.« Die Stimme des Sehers war nicht mehr als ein Flüstern, so als würde ihn jemand im Würgegriff halten. »Dragon, bring Phoenix nach drinnen.«
Der einzige Teil im ganzen Gebäude, in dem Renovierungsarbeiten stattgefunden hatten, war seine Wohnung. Die Handlanger des Sehers hatten unter Missachtung jeglicher baulicher Bedenken ein paar Wände eingerissen, um einen weitläufigen Lounge-Party-Bereich zu schaffen. Am Boden lag schimmerndes Parkett aus Eichenholz, geklaut aus einem Baumarkt und von uns verlegt, bevor der Seher hier eingezogen war. An einem Ende des Raums standen drei riesige Ledersofas vor einem gewaltigen Flachbildfernseher. Die aktuellen Freundinnen des Sehers saßen wie hingegossen in den Kissen und nippten an sagenhaft aussehenden Cocktails.Ich fand es immer schräg, dass er so tat, als befände er sich in einem Penthouse in Manhattan, wenn man draußen das gute alte abgeranzte Mile End erblickte. Das war ungefähr so überzeugend wie eine geklaute Rolex, die man für 50 Lappen auf dem Markt kaufte. Der Seher schwelgte gern in seinen Fantasien und das hier war eine billige Version des Lebens, das er im Fernsehen sah.
Der Seher pflanzte seinen fetten Hintern auf das mittlere Sofa, ein Platz, der bereits eine für ihn passgerechte Kuhle aufwies, da er die meiste Zeit des Tages dort verbrachte. Er winkte mit dem Finger – das Zeichen, dass ich mich nähern sollte. »Phoenix, deine Erklärung.«
Ich blieb vor ihm stehen, am Rand des flauschigen weißen Läufers, aus Angst, ich könnte ihn dreckig machen, wenn ich darauftrat. Ich wollte sein Verlangen, mich zu bestrafen, nicht noch unnötig anfeuern. Meine Geschichte klang sogar in meinen Ohren ziemlich dünn, als ich sie aufs Neue herunterratterte. Dragon hatte sich hinter den Seher gestellt und seinem mürrischen Gesicht war anzusehen, dass es seiner Meinung nach nicht gerade gut lief.
Ich kam zu dem unspektakulären Ende meiner Erzählung, als der Seher einen Finger hob. »Hast du den Jungen gesehen, den du bestehlen solltest?«
Mir war gestern ein Foto der Zielperson gezeigt worden, eine Kopie seines Ausweisbilds. »Ja, von Weitem. Er war leicht zu erkennen. Ich hab ihn gesehen ... ähm«, ich dachte über einen Ort nach, der einleuchtend klingen
Weitere Kostenlose Bücher