Savoir-vivre mit Hindernissen
suchen?«, brüllt er mich an.
»Das ist Jon Miller. Ein Hotelgast. Er hat heute das Boot mit mir aus Bandol abgeholt. Komm mit raus. Ich stelle euch vor.«
»Du wirst hinaus gehen und diesen Kerl zurück in seine Lavendel Suite schicken. Und zwar jetzt sofort, wenn du nicht willst, dass ich ihn vor die Tür setze.« Sein eiskalter Blick macht mir auf der Stelle klar, dass es besser ist, meinen Gast zu verabschieden, bevor es noch zum peinlichen Knall kommt. Ich nehme meine Taschenlampe aus der Küche und gehe zurück auf die Terrasse.
»Es ist besser, wenn du jetzt gehst. Mein Mann ist gekommen und wir haben uns lange nicht gesehen. Komm gut zurück. Wir sehen uns. Taschenlampe?«
Ich nehme Jackson auf den Arm und atme einmal tief durch.
Zurück im Haus treffe ich Martin im Wohnzimmer an. Sein Blick ist noch immer düster. Erst als ich sage »Darf ich vorstellen, Jackson. Das ist dein Herrchen. Eigentlich schaut er nicht immer so böse drein. Aber sollte er sich entschließen, mich endlich zu begrüßen und mich nach wochenlanger Trennung mal wieder zu küssen, dann wirst du merken, dass er ein ganz Lieber ist.«
Ich lasse den Hund aus meinen Armen springen und er läuft schwanzwedelnd auf Martin zu. Er bückt sich und streichelt sein weiches Fell.
»Er ist echt süß. Aber nun zu dir...!«
»Ja, ich weiß. Ich bin auch süß und ich freue mich riesig, dich zu sehen. Kriege ich endlich einen Kuss?« Scheinbar kann er dem Blick der »antiken« Frau nicht widerstehen und erspart mir vorläufig seine Predigt.
»Und? Wie findest du es? Gefällt es dir?«
Martin nickt nur stumm und schaut traurig auf den Boden. Ob ich überhaupt eine Vorstellung habe, wie er sich fühlt, wenn er mich mit einem anderen Mann überrascht. Wenn er mich laut lachend und höchst amüsiert in inniger Zweisamkeit mit einem Fremden antrifft? Ja, ich habe eine genaue Vorstellung davon, wie sich das anfühlt.
»Ich habe ihn nicht mit Sushi gefüttert. Nein, ich saß auch nicht vor ihm auf dem Tisch und habe meine Beine für ihn in Position gebracht und ihm meinen Schalk im Nacken gezeigt. Ob ich weiß, wie es sich anfühlt. Oh ja, Martin. Ich weiß es ganz genau.«
»Wovon sprichst du?«
»Davon wie ich mich gefühlt habe, als ich dich und deine Julia abends bei der Fütterung beobachtet habe.«
»Wann?«
»Als du angeblich an einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung teilnehmen musstest.«
»Du warst in Hamburg?«
»Ja, da staunst du! Deine ganze Heuchelei von Sehnsucht und Einsamkeit. Ich hab gesehen, wie gut dir zu Mute war. Ohne mich! Wenn du mich tatsächlich vermisst hättest, dann wärst du spätestens Ostern gekommen. Wenn auch nur für einen Tag.«
»Du meinst, du brauchst den Spieß einfach nur umzudrehen und schon bist du im Recht? So nicht, Lotte. Das Haus war längst fertig und du bist geblieben. Erst Anja. Jetzt Christopher und Nicole. Du kümmerst dich um jeden, nur nicht um mich. Ich bin der Idiot, der dir deine Wünsche finanziert. Nicht genug, dass ich das Haus bezahle. Du bist auch noch so unverschämt und nimmst mein Boot für deine Ausflüge mit deinem Möchtegern Hemingway!«
»Dein Boot? Dein Haus?«
»Du weißt, was ich meine! Ich will von dir wissen, was ich für dich bin!« Er schreit. Er schreit mich tatsächlich an.
»Du bist tatsächlich ein Idiot, wenn du nicht weißt, was du mir bedeutest. Aber ich verstehe. Dein Boot liegt im Hafen. Ich werde es nie wieder betreten. Und morgen reise ich zurück nach Hamburg. Ich werde eine Hypothek auf meine Haushälfte aufnehmen und dich auszahlen. Nie wieder werde ich mir von dir sagen lassen, dass du mir meine Wünsche finanzierst. Frohe Pfingsten, Seibert. Genieße dein Ferienhaus, solange es dir noch gehört! Komm Jackson, es geht ins Bett.«
Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr
»Du reist ab? Ich denke Martin ist gerade gekommen.« Anja schaut mich ungläubig an. Ob sie nun mitfahren will oder nicht, will ich wissen. Sie will nicht. Sie hat bereits einen Flug für den nächsten Tag gebucht und das Ticket ist bei Storno nicht rückerstattungsfähig.
»Habt ihr Streit?«
»Nein. Wir haben uns ausgesprochen und dabei habe ich sehr wichtige Erkenntnisse gewonnen, die mich jetzt zum Handeln zwingen.«
»Er hat tatsächlich was mit seiner Assistentin?«
»Frag du ihn. Ich fahre jetzt los.«
Einen schlechteren Reisetag hätte ich mir nicht
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