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Sax

Sax

Titel: Sax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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Er ist seit vierhundert Jahren tot.
    Vierhundert Jahre hat man ihn
hoch schimpfieret
, sagte der röchelnde Baß. – Einer Vogelscheuche gleich wurde er in Fastnachtsumzügen mitgeführt und als Trockenwurst verhöhnt – der
Landesherr
, der keinen anderen Wunsch hatte, als seine Domäne zu befrieden. Was sagt man dazu?
Ecce-Homo
.
    Und worin soll mein Auftrag bestehen? fragte Achermann.
    Er hat sich um die Stadt Mosbach im Odenwald hochverdient gemacht als Vogt und Amtmann des Pfalzgrafen Ludwig. Dort hat auch sein Sohn und Stammhalter Friderich Ludewig das Licht der Welt erblickt. Sie erinnern sich, wer ihm zu Gevatter gestanden hat. Nicht nur der Kurfürst in Person …
    … sondern alle vier reformierten Städte der Eidgenossenschaft, ergänzte Achermann. Das haben Sie uns eindringlich dargestellt.
    Leider folgenlos, sagte der Mann. – Auch die Stadt Mosbach hat sich bis heute nicht dazu durchgerungen, den Freiherrn und Obersten angemessen zu würdigen.
    Was hatten Sie sich denn vorgestellt? fragte Achermann. Er hatte zu schwitzen begonnen; vom leichten Luftzug, der sonst in der Kuppel herrschte, war kein Hauch mehr zu spüren. Das Gesicht Diebolds, gerötet wie ein Lampion, erinnerte Hubert an die Rübenlichter, die er zu Allerseelen geschnitzt und durch abendliche Gassen zum Friedhof getragen hatte.
    Ein Ehrengrab wäre das mindeste, sagte Diebold, was die Stadt Mosbach aufwenden müßte. Sax war Europäer. Es geht nicht an, daß ihn Mosbach als Ausländer behandelt.
    Das geht nicht an, wiederholte Achermann. – Ich verstehe.
    Verlangen Sie Remedur. Sie schreiben dem Oberbürgermeister von Mosbach einen Brief, reklamieren ein Ehrengrab und bezeichnen die Stelle.
    Welche Stelle? fragte Achermann.
    Ich habe sie hier markiert. – Diebold schlug seine Tasche auf und entnahm ihr ein gefaltetes Papier, das er über dem Kreuzworträtsel ausbreitete. Es war ein altertümlicher Katasterplan, groß wie ein Laken, auf dem Grundstücke mit einzelnen Gebäuden zu sehen waren, bezeichnet mit Lettern und Zahlen in steiler Handschrift.
    Dies ist die Gutleutanlage, röchelte Diebold, sie liegt eine Meile vor den Toren im Norden und ist heute dem Friedhof benachbart, auf dem auch jüdische Opfer liegen. Der Abstand erklärt sich daraus, daß in diesen Gebäuden Aussätzige untergebracht wurden;hier, im Gutleuthaus. Im Gebäude daneben, dem Elendshaus, nächtigten die Gäste der Siechen. Das Zentrum der Anlage ist die Gutleutkapelle, in der sich die Menschen zum Gottesdienst sammelten. Heute steht sie leer. In der Mitte ist ein gewisser Michael Entenfuß begraben. Zuviel der Ehre. An seiner Stelle wird der Freiherr beigesetzt. Die Stadt gedenkt seiner in Dankbarkeit, und der Oberbürgermeister spricht zu seinen Ehren.
    So weit der Auftrag, sagte Achermann. – Und das Mandat?
    Haben Sie Eile? fragte Diebold von großer Höhe herab. – Ich habe zur Stütze Ihres Gedächtnisses eine Lebensbeschreibung Philipps mitgebracht, verfaßt von mir selbst. – Er holte einen Ordner aus der Tasche und legte ihn auf den Plan. – Hier die Friedhofssatzung der Stadtgemeinde Mosbach. Die Einrichtung von Ehrengräbern ist ausdrücklich vorgesehen. In meiner Studie finden Sie einen Entwurf dazu. Der Kopf in Marmor. Dafür braucht man nur die Totenmaske abzunehmen.
    Von der Mumie? fragte Achermann mit schwachem Spott.
    Von Ihnen, sagte Diebold. – Der Oberbürgermeister heißt Hahn. Er ist Advokat, wie Sie. Jetzt zu meinem Mandat. Ich muß mich von meiner Frau scheiden lassen. Sie sind ihr begegnet.
    Sie meinen …, sagte Achermann.
    Eine Künstlerin. Sie ist ein Lied. Aber sie läßt jeden drüber.
    Was heißt das? fragte Achermann und erbleichte unwillkürlich.
    Sie treibt es mit jedem, sagte Diebold. – Nicht mehr und nicht weniger.
    Und darum wollen Sie sich von ihr scheiden lassen?
    Sie läßt sich besteigen wie eine Hündin.
    Sie hatten eine Hündin, wenn ich mich recht erinnere, sagte Achermann.
    Sie läßt jeden drüber.
    Das sagten Sie schon.
    Sie sehen und auf ihr reiten ist eins, sagte Diebold.
    Ich habe verstanden, sagte Achermann, aber Scheidungsprozesse führe ich nicht.
    Sie haben Professor Tschirky geschieden.
    Das waren besondere Umstände, sagte Achermann, unangenehm angeweht.
    Auch meine Frau hat besondere Umstände zu bieten. Sie ist die Schloßherrin von Aspermunt, das sagt alles.
    Ich glaube nicht, daß ich mich darauf einlasse, sagte Achermann.
    Das würde Ihnen leid tun.
    Herr Diebold, sagte Achermann, ich mag

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