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Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman

Titel: Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
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angefertigt. Es war noch nicht der jetzige aus Ebenholz mit Einlegearbeiten, den ließ der Herr Graf erst später durch Ratbold besorgen. Der erste war etwas plump, eine provisorische Wohnung für den Heiligen. Als er fertig war, schloss der Herr Graf sich wieder lange in der Kirche ein. Nur Herr Gozbert war bei ihm, um ihm zu helfen, schon wegen der schweren Steinplatte. Sie betteten den Heiligen und versenkten den Schrein. Dann durfte auch ich endlich in die Kirche. Ich musste die ganze Nacht wachen, Weihrauch verbrennen und auf Zeichen achten. Wenn der Heilige nämlich polterte oder stöhnte, fühlte er sich nicht wohl. Blieb er still, war er zufrieden. Nun, er blieb still, dem Herrn sei Dank!“
    „Und du sahst ihn jetzt endlich auch, vermute ich.“
    „Ja, ein paar Tage später, als der Schrein zum ersten Mal auf dem Altar stand und ich die Messe lesen durfte. Gleich bei diesem ersten Mal heilte der Heilige mehrere Kranke. Inzwischen sind die Geheilten kaum noch zu zählen. Erst gestern kamen wieder Sieche und Krüppel, ein ganzer Trupp, von weit her, aus Spanien.“
    „Und sie wurden geheilt?“, rief ich überrascht.
    „Vollständig! Zum Schluss umtanzten sie den Schrein, es war ein rührendes Bild. Und sie wurden mit freudigem Jubel verabschiedet, als sie weiterzogen. Wir alle, der Herr Graf an der Spitze, begleiteten sie ein Stück ihres Weges mit Fahnen und Kreuzen. Sogar der Heilige war dabei.“
    Diese Nachricht verschlug mir für einen Augenblick die Sprache. Fast hätte ich darüber vergessen, die Frage zu stellen, die ich jetzt für die wichtigste hielt. Sie fiel mir dann aber noch ein.
    „Diese Steinplatte, Bruder Wig, und die kleine Kammer darunter … war beides schon da, als der Heilige in die Kirche einzog?“
    „Ich weiß nicht. Ich sagte Euch ja, Vater, dass ich mit Rücksicht auf ihn in den ersten Tagen die Kirche nicht betreten durfte. Vielleicht wurde die Kammer erst angelegt … vielleicht war sie aber auch schon gegraben, bevor er eintraf. Der Herr Graf könnte angeordnet haben, sie zum Empfang des Heiligen vorzubereiten.“
    „Vor neun Jahren, als du fortgingst, war sie jedenfalls noch nicht da.“
    „Nein, bestimmt nicht.“
    „Und dass sie schon vor dem römischen Heiligen einem anderen als Grab diente … würdest du das für möglich halten?“
    „Natürlich nicht! Dann hätte man ja einen anderen entfernen müssen. Ich glaube nicht, dass der Heilige sich dann wohl gefühlt hätte. Er hätte sicher gestöhnt und gepoltert.“
    Wir erschraken beide, weil wir im selben Augenblick wie als Antwort auf diese Bemerkung des Wig aus dem Innern der Kirche ein heftiges Keuchen vernahmen. Gleich darauf krachte und polterte es. Nach einem Augenblick der Betroffenheit sprangen wir gleichzeitig auf und eilten um die Ecke nach dem Portal.
    Was für ein Anblick!
    Drinnen in der Kirche, in der fast vollständigen Finsternis, erhob sich ein großer Schatten, der die regelmäßige Form eines langgestreckten Rechtecks hatte. Das Ding vollführte einen närrischen Tanz, wobei es sich ruckweise mal in die eine, mal die andere Richtung bewegte. Es neigte sich dabei, richtete sich wieder auf und stieß dann jedes Mal dröhnend auf den steinernen Fußboden. Ringsum klirrte und schepperte es, weil Leuchter und Gefäße umgestoßen wurden. Die Töne, die das Ding selber ausstieß, schienen aus dem tiefsten Höllenschlund zu kommen. Die beiden Knechte standen starr, der eine mit einem Beil, der andere mit einem Messer in der Hand, nahe der Schwelle. Jedes Mal; wenn sich das Ding ihnen näherte, wichen sie aufschreiend zurück.
    Auch Wig stand wie gelähmt. Hatte der Heilige sich erhoben, um nach einer furchterregenden Metamorphose einen vorher unterlassenen Protest nachzuholen?
    Was mich betrifft, so glaubte ich zunächst an Teufelsspuk. Es stellte sich aber auch diesmal heraus (was Skeptiker immer behaupten), dass die seltsamsten Erscheinungen nur aus unserer schlechten Gewohnheit entstehen, ungenau zu beobachten. Sobald ich mein Auge anstrengte, um in die Dunkelheit einzudringen – siehe, da hatte das längliche Ding zwei menschliche Füße, und als es plötzlich herumfuhr, war es der starke Erk, der an die Bank gefesselt war, seine Beine aber bereits befreit hatte, irgendwie hoch kommen konnte und sich nun mühte, auch die Körper und Arme fesselnden Stricke zu sprengen. Er spannte den mächtigen Brustkorb, pumpte Luft hinein, dehnte die Schultern, ließ seine Muskeln anschwellen …

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