Saxnot stirbt nie - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Zweiter Roman
schriftlich einreichen müsst. In der Hofkanzlei.“
„Ja, so ist es …“
„Nun, und dieser Bericht soll ja wohl alles enthalten, was dem Herrn König wichtig ist. Wie gewissenhaft wir in Sachsen die Artikel der Kapitularien erfüllen. Wie gewinnbringend wir die königlichen Güter verwalten. Welche Fortschritte wir im Kampf gegen die Reste von Aberglauben und Heidentum erzielen. Ist es so? Seht Ihr, und da wir nichts zu verbergen haben und uns daran liegt, dass der König gründlich und wahrheitsgemäß unterrichtet wird, haben wir alles Wichtige niedergeschrieben.“
„Wer hat es niedergeschrieben?“
„Herr Gozbert und ich. Das heißt, wir beide haben den Inhalt entworfen und unser junger Priester – Ihr kennt ihn ja – hat alles ins Lateinische übersetzt und in die nötige Form gebracht. Auf byzantinischem Pergament, das Ratbold mir zu besonderen Zwecken besorgt hat. Ihr braucht nur noch zu unterzeichnen und morgen geht ein Bote zur Pfalz ab. Selbstverständlich seid Ihr so lange unsere Gäste, wie es Euch gefällt.“
„Aber … aber es ist nicht Eure Sache …“, stotterte ich.
„Wie meint Ihr?“
Ich warf einen Seitenblick auf Odo. Der hatte den Kopf gesenkt und starrte vor sich hin. Seine gewaltige Nase glich einem Schnabel, der im nächsten Augenblick zuhacken wollte.
„Wir müssen uns selbst einen Eindruck verschaffen“, sagte ich nun so fest wie möglich, „und das Ergebnis mit unseren eigenen Worten beschreiben.“
„Ah, und Ihr glaubt, Vater“, erwiderte Volz und diesmal traf mich sein blauer Blick kalt und hart, „dass Ihr den richtigen Eindruck von unseren Erfolgen und unserem Kampf gewinnt, wenn Ihr die Zeit damit vergeudet, durch den Wald zu streifen? Habt Ihr dort etwas Wichtiges entdeckt?“
„Ja!“, sagte Odo an meiner Stelle.
„Und was?“
„Eine Leiche.“
11. Kapitel
Es war noch Nacht, doch die Sterne verblassten bereits, als drei Männer die Pforte hinter dem Salhaus durchschritten und die steinernen Stufen emporstiegen. Oben angekommen, folgten sie dem kurzen Pfad, den die Füße von Generationen der Markgenossen getreten hatten. Dann gingen sie hinaus auf die Dingstätte, wo seit undenklichen Zeiten über Recht und Unrecht, Heil und Unheil, Leben und Tod entschieden wurde. Düster und schweigend lag der Ort, der bis vor einigen Jahren auch heiliger Hain und Opferplatz war, im grauen Halblicht der sinkenden Nacht. Da und dort meldete sich eine Vogelstimme, doch nicht volltönend, sondern zögernd und rasch, wie erschrocken, wieder verstummend. Ein kühler Morgenwind wehte. Die hohen Bäume ringsum standen erhaben und wissend, wie eine Versammlung ewiger Richter, Kläger, Zeugen und Eidhelfer.
Die drei Männer schritten ohne Hast über die grasbewachsene Fläche auf den Hügel in der Mitte zu und stiegen hinauf. Hier luden sie ihre Lasten ab. Zwischen die Bänke, die einander gegenüber standen, stellten sie zwei Stühle mit hohen Lehnen. Dahinter steckten sie einen Speer in die Erde und hängten an ihm einen Schild auf. Das Metall des Schildbuckels bildete einen matt schimmernden Kreis, das einzige Lichtzeichen weit und breit. Am östlichen Rand des Hains stand Saxnots riesige Eiche und verdeckte die aufgehende Sonne. So war an diesem Ort die Nacht etwas länger.
Als Erster setzte sich Odo. Er wickelte sich in seinen Mantel, schlug die Beine übereinander und senkte den Kopf auf die Brust. Helm und Waffen hatte er neben sich auf den Boden gelegt. Indem er so tat, als wollte er noch etwas Schlaf nachholen, vermied er es zu sprechen. Er gab sich gelassen und beherrscht, nur seine Finger spielten unruhig mit dem Richterstab. Ab und zu hob er das Kinn und warf zwischen halb geöffneten Lidern einen Blick hinüber zu der Stelle, wo der Pfad auf den Platz mündete. Aber dort rührte sich nichts.
Ich kramte in unserem Ledersack und überprüfte, mehr fühlend als sehend, ob wir die Schatulle, die Dokumente, die Tafeln mit den Gesetzestexten und überhaupt alles Nötige mitgebracht hatten. Dann nahm auch ich meinen Stab und setzte mich neben Odo auf den zweiten Stuhl. Wir blickten nach Osten, wie es Vorschrift ist. Allerdings konnte man, wie erwähnt, das grandiose Schauspiel des Sonnenaufgangs, das die Eröffnung einer Gerichtsversammlung begleiten sollte, hinter der Saxnot-Eiche nicht wahrnehmen. Es gab ja auch nichts zu eröffnen, solange keine Parteien erschienen. Nur die Richter und ihr Schreiber hatten sich pünktlich eingefunden.
Denn natürlich war
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