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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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seiner Absicht in Kenntnis gesetzt habe, die Verlobung zu lösen. Ob die Geschworenen glaubten, daß der Verstorbene daraufhin, ohne mit der Dame gesprochen oder ihr ein Wort der Erklärung oder des Abschieds geschrieben zu haben, sofort hingegangen sei und sich erschossen habe? Andererseits müßten die Geschworenen bedenken, welche Beschuldigung der Herzog von Denver laut eigener Aussage gegenüber dem Verstorbenen erhoben habe. Er habe ihm vorgeworfen, ein Falschspieler zu sein. In den Gesellschaftskreisen, denen die hier Beteiligten angehörten, sei ein Delikt wie Falschspiel weitaus schändlicher als Sünden wie Mord oder Ehebruch. Möglicherweise könne schon die Andeutung eines solchen Vorwurfs, ob begründet oder nicht, einen besonders ehrempfindlichen Menschen dazu treiben, Hand an sich zu legen. Ob aber der Verstorbene in diesem Sinne ein Mann von Ehre gewesen sei? Er sei in Frankreich erzogen worden, und die französischen Ehrbegriffe unterschieden sich sehr von den britischen. Der Untersuchungsrichter selbst unterhalte in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt geschäftliche Beziehungen zu Franzosen und könne denjenigen Geschworenen, die noch nie in Frankreich gewesen seien, nur nahelegen, diese unterschiedlichen Ehrbegriffe zu berücksichtigen. Unglücklicherweise habe ihnen der Brief mit den angeblichen Beschuldigungen nicht vorgelegt werden können. Außerdem könne man fragen, ob ein Selbstmörder sich nicht eher in den Kopf schießen werde. Man müsse sich fragen, wie der Verstorbene an den Revolver gekommen sei. Und schließlich müsse man sich in diesem Falle auch fragen, wer den Leichnam zum Haus geschleift habe und warum der oder die Betreffende dies unter so großer Anstrengung getan und dabei die Gefahr in Kauf genommen habe, den letzten vielleicht noch glimmenden Lebensfunken auszulöschen*, statt das Haus zu wecken und Hilfe herbeizurufen.
    Wenn sie Selbstmord für ausgeschlossen hielten, blieben als weitere Möglichkeiten noch Unfall, Totschlag oder Mord. Zum ersteren: Wenn sie glaubten, daß der Verstorbene oder eine
    * wörtlich
    andere Person an diesem Abend aus irgendeinem Grunde den Revolver des Herzogs von Denver genommen und beim Betrachten, Säubern, Schießen oder sonstigen Hantieren mit der Waffe versehentlich einen Schuß ausgelöst und den Verstorbenen getötet habe, so müßten sie auf Tod durch Unfall erkennen. Wie aber wollten sie in diesem Falle das Verhalten derjenigen Person erklären, die den Leichnam zur Tür geschleift habe, wer auch immer das sei?
    Der Untersuchungsrichter setzte sich dann mit dem juristischen Begriff des Totschlags auseinander. Er hielt den Geschworenen vor, daß bloße Worte, und seien sie noch so beleidigend oder drohend, keinesfalls die Tötung eines Menschen rechtfertigten; außerdem müsse der Streit plötzlich und ungeplant ausbrechen. Wenn sie zum Beispiel glaubten, der Herzog sei vielleicht hinausgegangen, um seinen Gast zu bitten, ins Haus zurückzukehren und zu Bett zu gehen, dieser aber habe darauf mit Schlägen oder Gewaltandrohung geantwortet, woraufhin der Herzog, da er bewaffnet gewesen sei, ihn in Notwehr erschossen habe, so sei dies nur Totschlag. In diesem Falle aber sei zu fragen, aus welchem Grunde der Herzog mit einer tödlichen Waffe in der Hand zu dem Verstorbenen hinausgegangen sei. Außerdem stehe diese Annahme in direktem Widerspruch zur Aussage des Herzogs selbst.
    Schließlich und endlich müßten sie entscheiden, ob es hinreichende Anzeichen für Vorsatz gebe, um eine Anklage wegen Mordes zu rechtfertigen. Sie müßten sich fragen, ob jemand ein Motiv, die Mittel und die Gelegenheit gehabt habe, Cathcart zu töten; und ob sie für das Verhalten dieser Person eine andere plausible Erklärung geben könnten. Und wenn sie glaubten, daß es eine solche Person gebe und daß diese Person sich in irgendeiner Weise verdächtig oder zweifelhaft verhalten oder willentlich Beweise unterdrückt habe, die für den Fall von Bedeutung seien, oder (und hier sprach der Untersuchungsrichter mit besonderem Nachdruck, wobei er starr über des Herzogs Haupt hinwegsah) daß diese Person in täuschender Absicht andere Beweise konstruiert habe – dann müsse das alles zusammen eine Schuldvermutung gegen den einen oder anderen ergeben, in welchem Falle sie gehalten seien, gegen den Betreffenden Anklage wegen vorsätzlichen Mordes zu erheben. Und, fügte der Untersuchungsrichter hinzu, bei der Würdigung dieses Aspektes müßten sie sich auch eine

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