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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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»Wo sollen da Falten sein? Ich glaube, ich würde nicht einmal welche finden, wenn ich das große Mikroskop nähme, das Seine Lordschaft in London hat.«
    »Meine Güte, Mr. Bunter«, sagte Ellen, indem sie einen Schwamm und ein Fläschchen Benzin aus dem Schrank nahm, »wozu braucht denn Seine Lordschaft so ein Ding?«
    »Wissen Sie, Miss Ellen, bei unserem Hobby, der Kriminalistik, will man manchmal etwas besonders stark vergrößert sehen – wenn es zum Beispiel um eine Fälschung geht, wollen wir sehen, ob an der Schrift etwas verändert oder ausgelöscht oder ob mit zweierlei Tinte geschrieben wurde. Oder wir sehen uns die Haarwurzeln an, wenn wir wissen wollen, ob ein Büschel Haare ausgerissen wurde oder ausgefallen ist. Oder wir möchten zum Beispiel bei einem Blutflecken wissen, ob es Tierblut oder Menschenblut ist, oder vielleicht auch nur ein Rotweinfleck.«
    »Aber stimmt es denn wirklich, Mr. Bunter«, fragte Ellen, indem sie einen Tweedrock auf dem Tisch ausbreitete und die Benzinflasche entstöpselte, »daß Sie und Lord Peter das alles feststellen können?«
    »Natürlich sind wir keine Chemiker«, antwortete Mr. Bunter, »aber Seine Lordschaft hat Erfahrung in vielen Dingen – genug jedenfalls, um zu erkennen, wann etwas verdächtig aussieht, und wenn wir Zweifel haben, wenden wir uns an einen sehr berühmten Wissenschaftler.« (Er fing galant Ellens Hand ab, die sich mit einem benzingetränkten Schwamm dem Tweedrock näherte.) »Sehen Sie, da ist zum Beispiel ein Fleck am Rocksaum, unten an der Seitennaht. Nun nehmen wir mal an, es handelt sich um einen Mordfall, und die Person, die diesen Rock getragen hat, ist der Tat verdächtig, dann würde ich diesen Fleck untersuchen.« (Mit diesen Worten zauberte Mr. Bunter eine Lupe aus der Tasche.) »Dann würde ich mit einem feuchten Taschentuch über den Rand reiben.« (Er ließ den Worten die Tat folgen.) »Und dabei würde ich sehen, daß es sich rot färbt. Dann würde ich den Rock umwenden und feststellen, daß der Fleck durch den ganzen Stoff geht; daraufhin würde ich eine Schere nehmen« (Mr. Bunter nahm eine kleine, scharfe Schere zur Hand) »und ein Stückchen von der Innenkante des Saums abschneiden, so« (er tat es), »und das würde ich in dieses Döschen tun« (ein kleines Döschen erschien wie von selbst aus Bunters Brusttasche), »das ich auf beiden Seiten mit einem Etikett versiegeln würde, und darauf würde ich schreiben: ›Lady Mary Wimseys Rock‹ und das Datum. Dann würde ich das Ganze sofort zu diesem Chemiker in London schicken, und der würde den Stoff unterm Mikroskop betrachten und mir sofort sagen, es handle sich zum Beispiel um Kaninchenblut, das schon soundso viele Tage alt sei, und damit wäre der Fall erledigt«, endete Mr. Bunter triumphierend, indem er die Nagelschere und ganz in Gedanken auch gleich das Schächtelchen nebst Inhalt wieder in die Tasche steckte.
    »Dann hätte er sich aber geirrt«, erwiderte Ellen mit einer neckischen Kopfbewegung, »denn das Blut ist von einem Vogel und nicht von einem Kaninchen, weil Lady Mary mir das selbst gesagt hat; und ginge es nicht schneller, einfach die betreffende Person zu fragen, statt erst mit so komischen Sachen wie Ihrem Mikroskop herumzuspielen?«
    »Nun, ich habe das Kaninchenblut ja nur als Beispiel erwähnt«, sagte Mr. Bunter. »Komisch, daß sie da unten einen Blutfleck abbekommen hat. Sie muß sich ja regelrecht hineingekniet haben.«
    »Ja, das arme Ding muß stark geblutet haben. Da hat wohl einer ziemlich schlecht geschossen. Seine Gnaden war es sicher nicht, und auch nicht der arme Hauptmann. Vielleicht Mr. Arbuthnot. Der ballert manchmal ein bißchen wild in die Gegend. Häßliche Sache jedenfalls, und so schlecht zu reinigen, wenn man zu lange wartet. Ich kann Ihnen sagen, mir war an dem Tag, an dem der arme Hauptmann erschossen wurde, auch nicht nach Reinigen; und dann diese Voruntersuchung – so was Schreckliches –, und Seine Gnaden dann einfach so abzuführen! Mich hat das furchtbar aufgeregt. Wahrscheinlich bin ich ein bißchen überempfindlich. Jedenfalls wußten wir alle die ersten Tage nicht, wo uns der Kopf stand, und dann schließt Lady Mary sich auch noch oben in ihrem Zimmer ein und läßt mich nicht an den Kleiderschrank. ›Oh!‹ sagt sie. ›Laß diesen Kleiderschrank in Ruhe. Hörst du nicht, wie er quietscht, das halte ich nicht aus, wo mir der Kopf so weh tut und meine Nerven so angegriffen sind‹, sagt sie. ›Aber ich will doch nur

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