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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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verschonen, und dann entdecken muß, daß der Betreffende längst alles weiß und es nicht annähernd so tragisch nimmt, wie er es geziemenderweise sollte. Jedenfalls ging Mr. Parker plötzlich der Gaul durch. Er sprang auf und rief ohne den allermindesten Grund: »Es ist doch vollkommen sinnlos, irgend etwas tun zu wollen!«
    Lady Mary sprang von ihrem Fensterplatz hoch.
    »Ja, das hab ich«, sagte sie. »Und es ist auch wahr. Dein schöner Fall ist abgeschlossen, Peter.«
    Die Herzoginwitwe entgegnete ihr völlig ungerührt: »Du mußt deinem Bruder schon zubilligen, daß er seine eigenen Angelegenheiten selbst am besten beurteilen kann, mein Kind.«
    »Eigentlich«, erwiderte Seine Lordschaft, »habe ich das Gefühl, daß Polly recht hat. Ich hoffe es wenigstens. Jedenfalls haben wir den Kerl ja jetzt und werden es bald wissen.«
    Lady Mary schnappte hörbar nach Luft und trat einen Schritt vor, das Kinn gehoben und die Hände fest zu Fäusten geballt. Es griff Parker richtig ans Herz, zu sehen, wie sie der absoluten Katastrophe so tapfer ins Auge sah. Der Beamte in ihm war zutiefst bestürzt, aber der Mensch ergriff sofort Partei für diesen edlen Trotz.
    »Wen habt ihr?« fragte er mit einer Stimme, die ihm gar nicht zu gehören schien.
    »Diesen Goyles«, antwortete Peter wegwerfend. »Erstaunlich schnelle Arbeit, was? Aber da ihm nichts Originelleres eingefallen war, als den Schiffszug nach Folkestone zu nehmen, war's nicht weiter schwierig.«
    »Es ist nicht wahr«, sagte Lady Mary. Sie stampfte mit dem Fuß auf. »Das ist gelogen. Er war nicht da. Er ist unschuldig. Ich habe Denis erschossen.«
    »Bravo«, dachte Parker, »bravo! Womit hat dieser Kerl das nur verdient?«
    »Sei nicht albern, Mary«, sagte Lord Peter.
    »Jawohl«, bekräftigte die Herzoginwitwe. »Ich wollte dir übrigens schon sagen, Peter, daß dieser Mr. Goyles – so ein schrecklicher Name, liebe Mary; ich muß sagen, der hat mir nie gefallen, auch wenn es sonst nichts gegen den Mann zu sagen gäbe – und dann unterschreibt er auch noch mit ›Geo‹. Geo. Goyles – das ›Geo.‹ soll nämlich George heißen, Mr. Parker, und ich habe unwillkürlich immer ›Gargoyl‹ gelesen – also, beinahe hätte ich dir nämlich geschrieben, mein Guter, und dich gefragt, ob du diesen Mr. Goyles nicht mal in London aufsuchen könntest, denn wenn ich es mir recht überlegte, hatte ich doch gleich das Gefühl, daß er mit diesem Ipecacuanha etwas zu tun hatte.«
    »Aha«, meinte Peter grinsend, »du meinst, weil zwischen ihm und einem Brechmittel kein großer –«
    »Wie kannst du nur, Wimsey!« grollte Parker, ohne den Blick von Mary zu wenden.
    »Lassen Sie ihn nur«, sagte diese. »Wenn du kein Feingefühl hast, Peter –«
    »Jetzt schlägt's aber doch dreizehn!« explodierte der Invalide. »Da jagt mir so ein Kerl ohne den geringsten Anlaß eine Kugel in die Schulter, bricht mir das Schlüsselbein, schmeißt mich kopfüber auf ein altes eisernes Bettgestell mit lauter Knöpfen dran und verduftet, und wenn ich ihn mit, wie ich finde, sehr gemäßigten, ja geradezu wohlerzogenen Worten ein Ekel nenne, sagt meine eigene Schwester, ich hätte kein Feingefühl. Sieh mich doch an! Hier sitze ich in meinen eigenen vier Wänden, habe gräßliches Kopfweh und muß mich mit Toast und Tee ernähren, während ihr es euch gutgehen laßt und euch an Mixed Grill, Omeletts und einem Roten vom besten Jahrgang gütlich tut –«
    »Dummer Junge«, sagte die alte Herzogin, »reg dich nicht so auf. Außerdem wird es Zeit für deine Medizin. Mr. Parker, würden Sie so freundlich sein und läuten?«
    Mr. Parker gehorchte wortlos. Lady Mary kam langsam näher und sah auf ihren Bruder hinab.
    »Peter«, sagte sie, »wie kommst du darauf, daß er es war?«
    »Daß er was war?«
    »Der auf dich – geschossen hat.« Ihre Worte waren kaum hörbar.
    Da in diesem Augenblick Mr. Bunter, begleitet von einem kühlen Luftzug, ins Zimmer trat, löste sich die gespannte Atmosphäre ein wenig. Lord Peter kippte seine Medizin hinunter, ließ seine Kissen aufschütteln, gestattete Bunter, ihm die Temperatur zu messen und den Puls zu fühlen, fragte, ob er zum Lunch nicht ein Ei haben dürfe und zündete sich eine Zigarette an. Mr. Bunter zog sich zurück, die Anwesenden verteilten sich auf die bequemeren Sessel und fühlten sich allgemein etwas wohler.
    »Also, Polly, paß mal auf«, sagte Peter, »und drück nicht so auf die Tränendrüsen. Ich bin diesem Goyles gestern abend in

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