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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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ärgerlich war und dies auch wortreich zum Ausdruck brachte. Es war die Herzoginwitwe von Denver.
    »Es wäre ja nicht einmal das schlimmste, Mary, daß du gestern abend so plötzlich verschwunden bist – ausgerechnet vorm Abendessen –, diese Umstände und der Schrecken, den du uns eingejagt hast – der armen Helen hat nicht einmal mehr das Abendessen geschmeckt, und das war ihr so unangenehm, denn du weißt doch, wie großen Wert sie darauf legt, sich nie von irgend etwas aus der Ruhe bringen zu lassen – was ich nun wirklich nicht verstehe, denn von den größten Männern haben einige sich nie geniert, ihre Gefühle zu zeigen, wobei ich nicht einmal unbedingt an die Südländer denke, sondern wie Mr. Chesterton ganz richtig sagt – Nelson ja auch, und der war ja nun wirklich Engländer, wenn nicht Ire oder Schotte, das weiß ich nicht mehr, jedenfalls Vereinigtes Königreich (sofern das heutzutage noch etwas heißen will in einem Freistaat – so ein alberner Name, wo er einen doch immer an den Oranje-Freistaat erinnert, und damit wollen die doch bestimmt nicht verwechselt werden, wo sie selbst so grün sind). Und einfach ohne angemessene Kleidung loszuziehen und den Wagen mitzunehmen, so daß ich auf den Ein-Uhr-fünfzehn-Zug von Northallerton warten mußte – so eine unmögliche Zeit zum Aufbruch, und so ein schlechter Zug obendrein, der hier erst um 10 Uhr 30 ankommt. Außerdem, wenn du schon unbedingt in die Stadt fahren mußtest, warum so Hals über Kopf? Wenn du vorher wenigstens den Fahrplan studiert hättest, wäre dir nämlich aufgefallen, daß du in Northallerton eine halbe Stunde Aufenthalt haben würdest, so daß du ohne weiteres noch einen Koffer hättest packen können. Es ist soviel besser, gründlich und ordentlich zu Werke zu gehen – auch wenn man etwas Dummes vorhat. Und es war wirklich sehr dumm von dir, so einfach zu verschwinden und dem armen Mr. Parker mit solch dummem Geschwätz auf die Nerven zu gehen – obwohl ich annehme, daß du eigentlich zu Peter wolltest. Weißt du, Peter, wenn du dich schon in schlechten Lokalen herumtreibst, wo lauter Russen und unreife Sozialisten verkehren, solltest du eigentlich etwas Besseres wissen, als sie auch noch zu ermuntern, indem du ihnen nachläufst, und wenn sie alle noch so unwichtig sind und zuviel Kaffee trinken und Gedichte schreiben, an denen nichts dran ist, und sich überhaupt nur die Nerven ruinieren. Und eingebracht hat es sowieso nichts; ich hätte Peter alles selbst sagen können, falls er es nicht überhaupt schon weiß, was anzunehmen ist.«
    Lady Mary wurde bei diesen Worten totenblaß und sah Parker an, der mehr zu ihr als zur Herzoginwitwe sagte:
    »Nein. Lord Peter und ich hatten noch gar keine Zeit, über irgend etwas zu sprechen.«
    »Auf daß er meine strapazierten Nerven nicht vollends zerrüttete und Fieberglut auf meine schmerzende Stirn brachte«, ergänzte der Edelmann liebenswürdig. »Du bist eine freundliche Seele, Charles, und ich wüßte wirklich nicht, was ich ohne dich anfangen sollte. Wenn nur dieser elende Trödler seine Ware etwas früher für die Nacht von der Straße geholt hätte! Man sollte es nicht für möglich halten, wie viele Knöpfe so ein eisernes Bettgestell hat. Ich hab's ja auf mich zukommen sehen, konnte aber nicht mehr bremsen. Aber was ist schon ein armseliges, ehernes Bettgestell? Der große Detektiv, wiewohlzunächst betäubt und schwach nach dem rohen Überfall der fünfzehn maskierten und samt und sonders mit Hackmessern bewaffneten Mordbuben, erlangte dank seiner robusten Konstitution und gesunden Lebensführung bald seine Sinne wieder. Trotz der schweren Gasvergiftung, die er sich in diesem Kellerraum zugezogen hatte – was gibt's? Ein Telegramm? Oh, danke, Bunter.«
    Lord Peter schien die Botschaft mit großer innerer Befriedigung zu lesen, denn sein breiter Mund zuckte an den Winkeln, und er steckte das Blatt Papier mit einem leisen Seufzer der Genugtuung in seine Brieftasche. Er rief Bunter nach, er solle den Frühstückstisch abräumen und den feuchten Wickel um seinen Kopf erneuern. Und nachdem dies geschehen war, ließ Lord Peter sich in die Kissen zurücksinken und stellte an Mr. Parker in boshaft vergnügtem Ton die Frage:
    »Na, wie hast du dich denn gestern abend mit Mary vertragen? Polly, hast du ihm erzählt, daß du den Mord begangen hast?«
    Es gibt kaum etwas Ärgerlicheres, als wenn man sich die größte Mühe gegeben hat, jemanden mit einer schmerzlichen Nachricht zu

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