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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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Sandhang hinab, bis sie irgendwann zum Liegen kam.
    Vorsichtig versuchte sie, sich zu bewegen. Ihre Schultern und Arme schmerzten, aber sie stellte erleichtert fest, dass sie keine größeren Verletzungen davongetragen hatte.
    Langsam stand sie auf und schaute sich fassungslos um. Um sie herum waren zahllose Essjiar, die mit oder ohne Reiter durch das Lager liefen, auf der Flucht vor einem der großen Lasttiere oder auf der Jagd nach Arbeitern, von denen einige nach Waffen griffen, während andere sich zu verstecken versuchten. Die Lasttiere liefen kopflos durch das Lager, wobei sie die Baracken auf ihrem Weg einfach niedertrampelten.
    Hoffnungsvoll ließ Marje ihren Blick über das Chaos gleiten. Vielleicht konnte sie in all dem Durcheinander irgendwo Kiyoshi entdecken und mit ihm fliehen. Einmal glaubte sie schon, ihn erspäht zu haben, aber als der Junge herumwirbelte und mit dem Hammer in seiner Hand einen Soldaten niederschlug, erkannte sie, dass die schwarzen Haare eigentlich blond und nur von einer dicken Dreckschicht bedeckt waren.
    Was, wenn er in den Minen gewesen war, als sie einbrachen?
    Voller Angst sah sie auf die Eingänge, die zu den Schächten führten. Doch sie schüttelte den Gedanken ab. Kiyoshi musste es geschafft haben – daran wollte sie festhalten.
    Blind vom Sandstaub in ihren Augen lief Marje los und konnte gerade so einer Essjiar ausweichen. Die kräftigen Kiefer schnappten über ihr zusammen, erwischten aber nichts als Luft, als sie sich zur Seite rollte.
    »Komm her, du Biest!«, rief eine Stimme und andere fielen mit ein.
    Marje hob den Kopf und sah, wie einige abgerissene Gestalten, offenbar Gefangene, Steine nach der Echse warfen, die sich daraufhin fauchend ihren Angreifern zuwandte. Unbemerkt konnte Marje zwischen ihren Beinen verschwinden und floh zu den Baracken.
    Keuchend stand sie zwischen den behelfsmäßigen Zelten. Menschen liefen an ihr vorbei, ohne sie zu beachten. Hilflos starrte Marje in die vielen Gesichter.
    Eins fehlte.
    Sie versuchte, die Tränen zu unterdrücken.
    Zu spät, dachte sie und spürte, wie sich ihre Brust schmerzvoll zusammenzog. Zu spät hatte sie erkannt, wer er wirklich war. Zu spät, um ihm zu sagen, dass sie sich falsch verhalten hatte.
    Hinter ihr stieß eines der Lasttiere einen angsterfüllten Schrei aus und sie drehte sich langsam um. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, als das Lasttier sich vor ihr aufbäumte und eine Baracke mit seinen mächtigen Vorderläufen niederriss.
    Schreie wurden aus den Trümmern laut und Menschen krochen blutend zwischen den Fellen und Stangen hervor. Sie sah zu dem mächtigen Tier auf, empfand aber keine Angst mehr. »Kiyoshi«, murmelte sie leise und schloss für einen kurzen Moment die Augen. »Er lebt, bis ich mich vom Gegenteil überzeugt habe!«
    Was hatte er noch zu ihr gesagt, als Sayuri verschwunden gewesen war und sie daran gezweifelt hatte, dass sie ihre Freundin jemals wiedersehen würde?
    Du musst es nur wollen!
    Und er hatte recht behalten.
    Langsam öffnete sie die Augen und machte einen entschlossenen Schritt auf das Lasttier zu. Das gewaltige Wesen sank auf die Vorderläufe hinab. Stumm erwiderte es ihren Blick.
    Ein verrückter Gedanke machte sich in Marje breit. Diese Lasttiere waren nur deshalb so wild, weil sie Angst hatten. Vorsichtig hob sie eine Hand, streckte sie dem Tier entgegen und bewegte vorsichtig die Finger.
    Das mächtige Tier senkte seinen Kopf. Die Nüstern zuckten unruhig und die riesigen Ohren waren gespitzt, um mögliche Gefahren rechtzeitig wahrnehmen zu können. Aber es machte keine Anstalten mehr, nach ihr auszuschlagen.
    »Komm zu mir«, flüsterte Marje. »Komm her«, wiederholte sie und versuchte, ruhig zu klingen. Langsam ging sie einen Schritt zurück und das Lasttier folgte ihr, den Kopf vorgestreckt, sodass seine dreieckige Schnauze fast ihre Hand berührte. Dann spürte sie die weichen Lippen des Tiers und eine helle, raue Zunge leckte über ihre Hand. »So ist es gut«, zwang sie sich zu sagen, obwohl ihr Herz bis zum Hals schlug. »Bist mein Bester, nicht wahr?«
    Was red ich hier eigentlich, schoss es ihr durch den Kopf. Das hier war ein Monster! Kein zahmes Haustier!
    Aber tatsächlich sah das Lasttier sie aus großen bernsteinfarbenen Augen vertrauensvoll an. Vorsichtig streckte sie die zweite Hand aus und streichelte die Nase. »Ganz ruhig«, flüsterte sie, als sie näher an das Tier herantrat und das zottelige lange Fell kraulte. Ihre Hand glitt zu den Ohren,

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