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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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auf die schmalen Lippen, die zu einem sanften Lächeln verzogen waren.
    Wie erstarrt verharrte er und sah in die blassblauen Augen des Mädchens, das ihn in einer Art anschaute, als könnte sie ihm direkt ins Herz sehen. Hastig wandte er seinen Blick ab, als auch schon die polternden Schritte der Soldaten sich näherten und schließlich vor der Tür haltmachten.
    »Irgendwo hier ist er verschwunden!«, sagte einer. »Er muss in einem dieser Häuser sein!«
    Kiyoshi hielt die Luft an und sah fragend zu dem Mädchen. Wie mutig es von ihr war, ihm zu helfen. Sie kannte ihn ja nicht einmal.
    Laut pochte es an der Tür. »Aufmachen!«, brüllte ein Soldat.
    Unwillkürlich zuckte das Mädchen beim Klang der Stimme zusammen und zog den Kopf ein.
    Kiyoshi berührte vorsichtig die schmale Hand, die auf dem Windlicht ruhte.
    Mahnend hielt das Mädchen den Finger an die Lippen und er nickte, um sie zu beruhigen.
    »Scheint keiner da zu sein«, stellte vor der Tür ein Soldat brummend fest.
    Langsam gewöhnten sich Kiyoshis Augen an das wenige Licht, das durch kleine Spalten in den Fensterläden hereindrang, und den schummrigen Schein der Lampe. Der intensive Geruch von Kräutern war ihm schon zuvor in die Nase gestiegen, sodass er anfangs auf eine Küche getippt hatte. Doch nun sah er die Regale, die bis unter die Decke hinaufreichten und die von oben bis unten mit allerlei Säckchen, Beuteln, Dosen und Schalen gefüllt waren und einen intensiven Duft verströmten. Er musste in einem Gewürzladen gelandet sein.
    »Oder sie wollen nicht aufmachen!« Das war ein zweiter Soldat. Unter einem krachenden Schlag erzitterte die Tür. »Aufmachen oder wir brechen sie auf!«, brüllte der Mann.
    Kiyoshi sah zögernd zu dem Mädchen, aber sie legte nur wieder entschieden den Finger an die Lippen und verhielt sich selbst mucksmäuschenstill.
    »Wir treten die Tür ein«, entschied der Soldat.
    Kiyoshi machte entschlossen einen Schritt vor. Er würde sich stellen, ehe er das Mädchen weiter in Schwierigkeiten brachte.
    »Hier drüben!« Das war die schrille Stimme einer Frau von irgendwo über ihnen. »Er ist durch die Hintertür entkommen! Schnell! Haltet ihn!«
    Kiyoshi lauschte mit angehaltenem Atem.
    Offenbar hatte er den Bürgern der alten Stadt doch unrecht getan, als er gedacht hatte, sie würden einander nicht helfen. Augenscheinlich versuchte die Frau, die Soldaten auf eine falsche Fährte zu locken.
    Und tatsächlich – die schnellen Schritte der eisenbeschlagenen Stiefel verrieten, dass die Soldaten der Frau glaubten.
    Als das Trampeln und die Rufe verklungen waren, wartete Kiyoshi noch einen Moment, dann atmete er auf und wandte sich dem Mädchen zu. »Danke«, sagte er und kam sich dabei ein wenig hilflos vor. »Ich danke dir wirklich sehr!«
    Das Mädchen konnte ja nicht ahnen, dass sie ihn nicht nur vorm Entdecktwerden gerettet hatte.
    Sie antwortete nicht.
    »Wer bist du?«, fragte er. Irgendetwas stand da in ihren hellblauen Augen, das er nicht recht einordnen konnte.
    Das Mädchen lächelte fröhlich und streckte eine Hand aus. Wie hypnotisiert beobachtete er, wie ihre Finger vorsichtig, beinahe zögernd näher kamen. Er rührte sich nicht, fast als hätte er Angst, das Mädchen mit einer ruckartigen Bewegung zu verschrecken. Ihre Hand streifte seine Wange und glitt zu seinem Hals hinab. Vorsichtig schob sie den Schal beiseite und sah ihn mit ihren hellen Augen durchdringend an.
    Dann stand sie plötzlich auf, als wäre ihr gerade etwas eingefallen, griff nach dem Licht und ging mit schnellen Schritten auf eine Theke im hinteren Bereich des Raumes zu. Mit einer Geste bedeutete sie ihm, ihr zu folgen.
    Neugierig kam Kiyoshi dieser Aufforderung nach. An der Theke hielt das Mädchen einen Moment inne, dann wirbelte sie zu ihm herum und in ihren Augen lag ein Ausdruck tiefer Verwunderung.
    »Was ist?«, fragte er vorsichtig und konnte nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf seine Lippen stahl.
    Das Mädchen griff in ein Regal und zog einen Kranz aus silbergrauen Blättern hervor. Schneller als Kiyoshi reagieren konnte, setzte sie ihm die trockenen Zweige auf den Kopf und betrachtete ihn mit einem fragenden Blick, den Kopf schief gelegt, als würde noch etwas in ihrem Bild nicht stimmen.
    Irritiert griff Kiyoshi nach dem Kranz. Ist sie stumm?, fragte er sich, während er die trockenen Blätter zwischen den Fingern drehte. Dann verstand er plötzlich und nickte mit einem vorsichtigen Lächeln.
    Sie strahlte. In ihren Augen

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