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Sayuri

Sayuri

Titel: Sayuri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Bargmann
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Pass auf!
    Als Suieen sich wieder umdrehte, um den Tumult zu beobachten, lag der Soldat auf dem Boden. Der Junge, der auf ihn zugestürmt war, hielt ein blutbeflecktes Schwert in einer Hand, an der anderen zog er zwei Mädchen hinter sich her, eine von ihnen groß und mit dunklen Locken, die andere etwas jünger, sehr schmal und furchtbar blass.
    Der Junge zerrte die beiden mit sich fort und in dem Moment, als die Soldaten zur Verfolgung ansetzen wollten, sprang er mit der Älteren auf ein Fuhrwerk, das von sechs Grions gezogen wurde. Der Kutscher schwang die Peitsche und nach kurzer Zeit verschwand das Fuhrwerk in den Staubwolken der Straße.
    Nein! Marje!
    Suieen spürte, wie das Wasser über seine Finger lief. Sofort zog er seinen Wasserschlauch zurück und verschloss ihn.
    Das zweite Mädchen kam unter dem Torbogen zum Stehen. Ein Soldat hatte sie in letzter Sekunde am Handgelenk erwischt und erbarmungslos festgehalten. Sie zog an ihrem Arm, versuchte sich zu befreien. Hilflos sah sie den beiden Flüchtenden nach.
    Schneeweißes Haar fiel ihr ins farblose Gesicht.
    Marje!, hörte er wieder den verzweifelten Ruf und jetzt wusste er mit Sicherheit, von wem er kam. Komm zurück!
    Das blasse Mädchen versuchte sich mit aller Kraft dem Soldaten zu entwinden, aber sie hatte keine Chance.
    Er zögerte. Das Mädchen war ihm fremd. Sie schien keine Shaouran zu sein, aber sie war auch viel zu durchscheinend für eine Menschentochter. Und sie sprach in Gedanken. Das war eine Fähigkeit, die ausschließlich magischen Wesen vorbehalten war – und als Mensch konnte sie ja wohl kaum magisch sein.
    Ihr blassblauer Blick traf seine Augen. Hilfe!, hörte er wieder ihren Ruf, als er gerade den Wasserschlauch an seiner Tasche befestigen wollte. Wie erstarrt hielt er mitten in der Bewegung inne.
    Sie kann nicht wissen, dass ich sie verstehe, durchzuckte es ihn, als ihr Blick weiterglitt. Aber das tue ich. Ich höre, was sie sagt.
    Der Soldat zog sie mit sich in die Stadt zurück. Keiner schien ihr zu Hilfe kommen zu wollen. Das Gefährt des Bauern war längst aus seinem Blickfeld verschwunden.
    Noch bevor Suieen realisierte, was er tat, war er auf das Mädchen zugelaufen.
    Mit aller Kraft versetzte er dem Soldaten einen Stoß – nicht mit der Hand oder seinem Messer – sondern in Gedanken. Der Soldat taumelte, stolperte, dann ließ er das Mädchen los.
    In seine Augen war ein glasiger Blick getreten, als wüsste er für einen Moment nicht mehr, wo er sich überhaupt befand.
    Komm, rief Suieen dem Mädchen zu, packte ihr Handgelenk und zog sie mit sich über den steinigen Boden und durch das unbewachte Tor in die Ebene hinaus.
    Zu seiner Überraschung war sie fast ebenso schnell wie er, auch wenn sie nicht so wirkte, als hätte sie viel Ausdauer. Hastig warf er einen Blick über die Schulter. Der junge Soldat, der das Mädchen gepackt gehalten hatte, lag auf dem Boden, als wäre er mitten in der Bewegung erstarrt. Er würde einige Zeit brauchen, um wieder ganz zu sich zu kommen, dafür hatte Suieen gesorgt. Die anderen Soldaten am Tor hatten die Köpfe zusammengesteckt und schienen zu beratschlagen, was zu tun war.
    Offenbar waren sie an einer Verfolgung nicht wirklich interessiert, sei es, weil ihnen der Aufwand zu groß erschien – sei es, weil sie sich vor dem fürchteten, was ihrem Kameraden passiert war.
    Als Suieen der Abstand groß genug schien, ließ er den Arm des Mädchens wieder los. Wer bist du?, fragte er, ohne seinen Schritt zu verlangsamen.
    Ihre blassblauen Augen erwiderten seinen Blick ebenso neugierig. Du kannst meine Gedanken verstehen, sagte sie voller Verwunderung, anstatt ihm eine Antwort zu geben.
    In dem Moment stieg ein blassblaues Irrlicht aus ihrer Kapuze und zog sirrend Kreise um ihren Kopf. Suieen starrte das magische Wesen verwirrt an. Noch nie hatte er davon gehört, dass Irrlichter in der Stadt lebten. Er kannte sie nur aus den Wäldern der Zentauren.

2. Kapitel
    H ätte ich dich etwa sterben lassen sollen?«
    »Vielleicht wäre das besser gewesen!« Mit zornfunkelnden Augen fixierte Marje Kiyoshi, biss sich auf die Lippe und versuchte, für ihre Wut die richtigen Worte zu finden. Zu viel Zorn hatte sie schon immer sprachlos gemacht.
    Sayuri war fort. Sie konnte noch immer spüren, wie ihr die Hand entglitten war, gerade, als dieser verdammte Prinz sie mit auf den Wagen gezogen hatte. »Wenn du nicht gewesen wärst, dann …«
    »Was dann?«, fragte Kiyoshi ruhig und zog eine Augenbraue hoch.

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