SB 121 – Mission Zeitbrücke
Mallagan schritt hinaus in die Dunkelheit.
Die Nacht war sein einziger Verbündeter. In der Finsternis war er nur eine von zahllosen Gestalten, deren Züge niemand so genau erkennen konnte. Die grellen Lampen in der Nähe des Stadtzentrums musste er meiden. Aber bestimmt gab es Seitenstraßen, in denen die Beleuchtung schwach war. Dorthin würde er sich wenden.
An einsam gelegenen Häusern vorbei gelangte er zu einer Straße, die offenbar die Verbindung zwischen Gruda und dem Raumhafen herstellte. Reger Fahrzeugverkehr herrschte. Mallagan überquerte die Straße auf einer Fußgängerbrücke. Sooft er sich in den Lichtkreis einer Lampe wagen musste, vergewisserte er sich, dass ihm niemand entgegenkam. Lediglich im Halbdunkel begegnete er einigen nächtlichen Fußgängern, zumeist Kranen, doch sie nahmen keine Notiz von ihm.
Während er sich weiter in Richtung Stadtmitte vorarbeitete, prägte er sich Einzelheiten der Umgebung ein. Er war erstaunt, wie leicht ihm das fiel. Der Doppel-Spoodie stärkte nicht nur sein Denkvermögen, sondern auch sein Gedächtnis.
Er gelangte schließlich in eine Gegend, in der die Straßen eng und schmutzig waren. Wesen aller Arten bewegten sich hier im flackernden Licht grellbunter Leuchtzeichen, die Dienstleistungen aller Art anboten. Ein unbeschreiblicher Geruch lag in der Luft. Mallagan stieß auf einen mit brackigöligem Wasser gefüllten Kanal und erinnerte sich an Killsoffers Beschreibung. Ungeachtet der Berge im Süden lag die Stadt Gruda nur wenige Meter über dem Meeresspiegel. Ein gut Teil des Areals war sumpfig. Der Fluss Torstyl bahnte sich seinen Weg mitten durch die Stadt und strömte im Gruda-Tal dem Meer zu. Killsoffer hatte davon gesprochen, dass es in Gruda eine große Zahl von Kanälen gebe, die überflüssiges Grundwasser aufnahmen. Sie standen mit dem Fluss in Verbindung und bildeten zusätzliche Transportstraßen, auf denen sich reger Bootsverkehr abwickelte.
Am Ufer des Kanals lag ein Stapel lang gestreckter Plastikrohre. In ihrem Schutz ließ Mallagan sich nieder und beobachtete das Treiben. Auf der schmutzigen Straße zwischen dem Kanal und den bunt beleuchteten Fassaden gab es keine Fahrzeuge, nur Fußgängerverkehr. Aus offenen Fenstern und Türen plärrte Musik, eine schrille Kakofonie von kranischen, prodheimischen und tartischen Weisen. Ein Wirrwarr von Gestalten ging, stolzierte, wankte, torkelte im Glanz der flackernden Reklamen. Ein betrunkener Prodheimer-Fenke taumelte durch den bogenförmigen Eingang eines Bordells, an dessen Fassade ein Leuchtbild zum Ausdruck brachte, dass alle hier auf kranische Sehnsüchte eingestellt waren. Nur Sekunden später kam der Betrunkene wieder zum Vorschein, wie vom Katapult geschnellt. Wenige Meter von Surfo entfernt stürzte er zu Boden. Zehn Sekunden lang blieb er benommen liegen, dann raffte er sich auf, schüttelte den Kopf und torkelte davon.
Eine vermummte Gestalt erregte Mallagans Aufmerksamkeit. Sie hatte etwa seine Größe und war in einen dunklen Umhang gehüllt, der Einzelheiten des Körperbaus verbarg. Den Schädel des Fremden bedeckte eine weit nach vorn gezogene Kapuze. Mallagan beobachtete, dass die Gestalt hin und wieder stehen blieb und auf einen Passanten einsprach. Die Reaktionen fielen verschieden aus. Ein Krane machte Anstalten, auf den Vermummten einzudreschen. Dieser wich behände aus und verlor sich in der Menge. Andere reagierten überhaupt nicht, und wiederum andere blieben stehen, um dem Fremden zu antworten. Manchmal gaben sie ihm etwas, wahrscheinlich Geld.
Es gab mehrere solcher Gestalten. Mallagan hielt sie für Bettler, und ihre Vermummung war offenbar ein Zunftgewand. Eine solche Kutte hätte ihm die Möglichkeit verschafft, sich unauffällig in der Menge zu bewegen. Aber woher sollte er so ein Kleidungsstück nehmen? Es gab nur einen Weg, und der behagte ihm nicht. Minutenlang rang er mit seinem Gewissen, dann war ihm klar, dass er die Wahl hatte, entweder erfolgreich zu sein oder seine Moral zu wahren. Beides zugleich ließ sich nicht erreichen.
Zur rechten Hand wurde die Häuserwand durch eine Seitenstraße unterbrochen, die den Hauptzugang in diesem Bereich des Vergnügungsviertels zu bilden schien. Jenseits der Straße war die Kanalfront still und finster, von wenigen weit auseinanderstehenden Lampen abgesehen. Surfo Mallagan sah einen der Vermummten an der Einmündung der Seitenstraße vorbeigehen. Sekunden später ließ er sich ins Wasser gleiten und schwamm mit weit
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