SB 121 – Mission Zeitbrücke
Welten lebten, hatten gelernt, mit den Hautfalten der Kinntasche Laute hervorzubringen und Worte in Krandhorjan zu formulieren.
Es war eine umständliche Art der Verständigung, dabei aber ein Fortschritt gegenüber der Blinkkommunikation, die kaum ein Krane verstand.
Mallagan tastete mit den Fingerspitzen über sein künstliches Gesicht. Die synthetische Haut war glatt und zumeist dunkel. Auch am Hals zeigte sie keine Tendenz, durchsichtig zu werden. Durch die undurchsichtige Haut unterschieden sich die Original-Ai von Forgan VII von ihren mutierten Vettern.
Mallagan aktivierte die Kinntasche und sprach kranische Worte. Dabei bediente er sich seiner naturgegebenen Sprachwerkzeuge, deren Laute durch die Maske so verzerrt wurden, dass sie sich wie Hautfaltengeräusche anhörten. Es gab keinen Zweifel daran, dass das, was Surfo im Spiegel vor sich sah, ein unüberbietbares Meisterwerk der Maskenbildnerei war. Trotzdem würde es Schwierigkeiten geben.
Sein Atemrhythmus zum Beispiel war wesentlich schneller als der der phlegmatischen Ai. Oder die Kaubewegungen beim Essen. Ai kauten nicht, sie schlangen. Und ihre Hände waren achtfingrig. Die Maske reichte nur ein paar Zentimeter über den Halsansatz, das Aussehen der fünffingrigen Betschidenhände blieb unverändert.
In den Mantel gehüllt und stets vorsichtig, würde er sich durchschlagen können. In der Nähe anderer Wesen musste Surfo Mallagan die Hände in den Mantelärmeln verstecken und beim Atmen immer wieder die Luft anhalten. Niemals durfte er sich beim Essen zusehen lassen, vor allem durfte er sich nicht verleiten lassen, in Gegenwart anderer nach etwas zu greifen. Den Ai von Forgan VI musste er aus dem Weg gehen. Glücklicherweise lebten auf Keryan, so sagte wenigstens der Bibliotheksdienst, nicht mehr als zweihundert der Mutanten.
Surfo warf seinem Spiegelbild einen letzten Blick zu; dann wandte er sich ab. Was er vorhatte, war kein leichtes Unternehmen. Aber es ließ sich bewältigen.
»Hier verläuft der Kanal, dort stößt die Seitenstraße von Norden her auf ihn.« Surfo legte einige Sitzmatten auf dem Boden zurecht, um die Topografie zu verdeutlichen. »Westlich der Seitenstraße befindet sich das Amüsierviertel mit Betrunkenen, Glücksrittern, Liebeskranken und was weiß ich noch allem. Das ist unser Fluchtweg. Niemand wird das Feuer eröffnen, wenn wir im Gedränge verschwinden.«
»Die Schutzgarde wird das Viertel abriegeln«, gab Scoutie zu bedenken.
»Nicht rasch genug, um uns zu fangen. Sobald wir die Verfolger abgeschüttelt haben, legen wir die Masken an. Wir müssen uns danach trotzdem so rasch wie möglich bewegen – aber wenigstens zeigen die, denen wir unterwegs begegnen, nicht mehr mit den Fingern auf uns. Wir trennen uns vorläufig und treffen an einem sicheren Ort wieder zusammen.«
»Wo ist dieser sichere Ort?«, fragte Scoutie.
»Clazzences Haus. Es liegt eine Strecke westlich vom Ende des Kanals. Hier verläuft die Hauptverkehrsader ...«, Mallagan rückte die Matten zurecht, »... über die eine Brücke führt. Vom Ende der Brücke aus sind es nur noch wenige Hundert Schritte. Ich nehme an, dass Clazzence nicht schon die nächste Generation von Flüchtlingen einquartiert hat. Das Haus steht leer, wir sind dort für ein paar Stunden sicher.«
Das träge Wasser des Torstyl gurgelte an der Bordwand entlang. Der auffrischende Wind brachte den Geruch der Stadt mit sich: Brackwasser, Abfälle, Unrat und einen unbeschreiblichen Dunst aus den Aromen unterschiedlichster Speisen.
Eine Karte der Stadt Gruda leuchtete über dem Armaturenbrett. Surfo Mallagan hatte den Autopiloten eingeschaltet und zählte die Kanalmündungen, an denen sie vorbeikamen. Faddon und Scoutie kauerten in seiner Nähe. Ihre Uniformstiefel hatten sie mit Sand gefüllt und im Fluss versenkt. Sie trugen nun die Schnürsandalen zur Flottenmontur.
Die Nacht war dreieinhalb Stunden alt, als Mallagan das Boot in einen breiten Kanal steuerte, der vom Torstyl weg nach Nordwesten führte.
Eine halbe Stunde später tauchte die erwartete Einmündung auf. Der Seitenkanal führte vierhundert Meter weit bis dorthin, wo Mallagan den Bußbruder überfallen hatte, eine Strecke, die das Boot in einer halben Minute zurücklegen konnte. Um den geplanten Zwischenfall herbeizuführen, war dies der geeignete Ort.
Surfo Mallagan sah einen Pulk kleiner Boote den Hauptkanal herabkommen. Sie bewegten sich verkehrswidrig, zu einer Gruppe zusammengedrängt. Entweder waren
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