SB 122 – Gefangene der SOL
erklärte Mallagan. »Ich werde nur einfache Fragen beantworten.«
»Wie wäre es mit einer Kostprobe?«
»Die Lugosiade hat noch nicht begonnen«, sagte Mallagan. »Nach der Eröffnung werde ich deine Fragen beantworten, so gut ich es kann. Bis dahin werde ich meine Geheimnisse aber für mich behalten.«
Der Herzog lachte amüsiert. »Das war eine kluge Antwort. Ich bin gespannt, wie du dich während der Lugosiade bewähren wirst, Orakel von Couhrs.«
Schließlich trat Gu auf den Balkon hinaus, begrüßte die jubelnde Menge und erklärte die fünfzigste Lugosiade für eröffnet.
Der Schweber entließ die Betschiden vor einem niedrigen Gebäude. »Die Leute drinnen werden euch einweisen«, sagte der Krane, der das Fahrzeug lenkte.
Scoutie, die neben der Tür saß, wollte aussteigen, aber Surfo Mallagan stieß sie zur Seite. »Es ist mein Spiel!«, zischte er. »Ich gehe zuerst!«
Draußen sah er sich herausfordernd um.
Scoutie schüttelte besorgt den Kopf. Immer öfter hatte sie das Gefühl, einen Fremden vor sich zu haben, nicht aber jenen Surfo Mallagan, den sie seit ihrer und seiner frühesten Kindheit kannte.
Brether Faddon packte Mallagan am Arm. »Was bildest du dir eigentlich ein?«, fragte er. »Dass du etwas Besseres bist?«
»Das hat mit Einbildung nichts zu tun«, erklärte Mallagan arrogant, schüttelte Faddons Hand ab und ging weiter.
In dem Gebäude war es erstaunlich ruhig. Ein junger Krane nahm sich der Betschiden an. Er stellte viele Fragen, und Scoutie beobachtete voller Sorge, dass Mallagan immer ungeduldiger wurde.
Ein kleines kugelförmiges Wesen kam und bat sie alle drei, in einem schmalen Gefährt Platz zu nehmen. Mit irrsinniger Geschwindigkeit glitt das Fahrzeug durch die Halle in den angrenzenden Park hinein und kam erst am jenseitigen Ende zum Stillstand. Der Kleine führte die Betschiden zu einem Hügel, an dessen Hängen sich bereits die Zuschauer drängten.
»Alle wissen, dass ihr Doevelynk befreit habt«, erklärte das Wesen mit dem Kugelkopf. »Sie sind neugierig auf euch.«
Scoutie erkannte schnell, dass die Neugierde der Menge ebenso rund einem Dutzend anderen Lugosiade-Teilnehmern galt, die bereits ihre Künste zeigten. Pavillons, Bühnen, Podeste und andere Anlagen standen für die Darbietungen zur Verfügung.
»Wie heißt du eigentlich?«, fragte Scoutie den Kleinen, der sie geschickt durch die Menge lotste.
»Banec. Ich bin für diesen Hügel zuständig. Wenn ihr etwas braucht, könnt ihr euch jederzeit an mich wenden. So, da sind wir!«
Sie hatten einen seitlich offenen Pavillon erreicht. An den unteren Rändern des geschwungenen Daches hingen Schilder mit Mallagans Namen. Ohne Zögern schritt Surfo zu einem Podium in der Mitte des Bauwerks.
Schon nach kurzer Zeit wurde der Pavillon von Neugierigen umlagert.
Surfo Mallagan wusste durchaus, dass er einen verträumten Eindruck machte, und doch war er hellwach. Er registrierte seine Umgebung auf eine Weise, die er sich niemals hätte vorstellen können. Es war für ihn, als wäre er nach einem lebenslangen Aufenthalt in undurchdringlichem Dickicht auf einen Berg gelangt, von dem aus er zum ersten Mal die Welt überblicken konnte.
Von seinem hohen Berg aus beantwortete er Frage auf Frage, und die Besucher der Lugosiade hingen an seinen Lippen. Es gab Wesen, die mit sehr einfachen, konkreten Fragen kamen, aber auch solche, die etwas über den Sinn des Lebens und ähnliche Dinge erfahren wollten. Wie die Fragen waren auch die Antworten: konkret, manchmal verblüffend einfach, dann wieder philosophisch, mehrdeutig, orakelhaft.
Mallagan stellte jeden zufrieden. Alle, die ihn aufsuchten, waren sich über eines einig: Wenn ihnen in diesem oder jenem Fall eine Antwort nichts sagte, dann lag das nicht an dem Betschiden, sondern daran, dass sie selbst nicht klug genug waren, die Antwort zu interpretieren. Die Zeit musste reif sein dafür.
Schon an diesem ersten Tag wurde deutlich, dass die Lugosiade kein statisches Spiel war. Einige der Pavillons und Bühnen in Mallagans Umgebung wurden von den ersten Teilnehmern verlassen. An ihre Stelle traten Wahrsager, Weise, Richter und andere, die jenen mit Rat und Tat zur Seite standen, die ratlos aus dem Pavillon des Betschiden kamen, eine Antwort in Händen, die ihnen die Lösung ihrer Probleme versprach. Sie waren überzeugt davon, ein Kleinod an Weisheit erhalten zu haben, wussten aber nichts damit anzufangen. Andere Teilnehmer analysierten Mallagans Antworten, bis
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