Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
brutalen Reaktion zu veranlassen. Sie machten sich mit Eifer, Brechstangen, Vorschlaghämmern und Molotow-Cocktails an die Arbeit. Sie legten Feuer und verursachten die Art von Sachbeschädigung, die sich nicht ohne Schwierigkeiten reparieren ließ. Der Plan ging auf. Wenige Minuten nach Beginn der Verwüstungen schwangen die Polizei und Edgewater die Knüppel, feuerten elektrische Ladungen ab und versuchten – vergeblich -, das offene Tor zu schließen, durch das immer mehr Menschen hereinströmten.
Doch das war nur ein Ablenkungsmanöver, damit die Ordnungshüter der Stadt nicht auf das eigentliche Ziel des Angriffs aufmerksam wurden. Und das waren die landwirtschaftlichen Türme, die von Natur aus offen und ohne Verteidigung waren. In diese Türme drangen mehrere Dutzend Invasoren ein, aber sie waren nicht auf Nahrungsmittel aus, sondern auf Genproben und Saatgut, den eigentlichen Schlüssel zu einem kompletten Garten Eden voller genetisch optimierter, schnellwachsender und ertragreicher Nutzpflanzen.
Nachdem diese Invasoren in die Türme eingedrungen waren, gaben sie sich nicht der Hoffnung hin – nicht einmal mit Hilfe des inszenierten Aufstandes -, es zu schaffen, mit ihren Proben die Stadt zu verlassen. Stattdessen stiegen sie die Türme hinauf und nahmen unterwegs die Proben, bis sie die Dachgärten erreicht hatten. Dort schweißten sie alle Zugangstüren zu, öffneten ihre Rucksäcke und bauten die kleinen ferngesteuerten Flugzeuge zusammen, die sie mitgenommen hatten. Dann steckten sie ihre Proben in die winzigen Frachträume und warfen die Flugzeuge in die Luft, damit sie die genetischen Schätze über die Mauern der Stadt in die Hände ihrer wartenden Landsleute auf der anderen Seite beförderten.
Nachdem das erledigt war, setzten sich die Invasoren in die Dachgärten und warteten ab, wie lange es dauern würde, bis die paar Polizisten und Eddies, die sie bemerkt hatten, daraufkamen, dass sie nicht vorhatten, wieder herauszukommen und zu fliehen.
Es dauerte sehr lange. Lange genug, dass der Drahtzieher der gesamten Aktion das bekam, was er haben wollte, ohne dass die Ordnungshüter irgendetwas davon bemerkten.
Ich hatte die Nachtschicht im Arnold Tower übernommen, als mein Telefon klingelte und Lou Barnes mir sagte, dass ich alles verriegeln sollte, weil New St. Louis angegriffen wurde. Ich tat, was er mir auftrug, und legte die Schalter um, die den Turm sicherten, so dass nur noch qualifiziertem Personal der Zugang gestattet wurde. Wenn Barnes rüberkommen und den Laden übernehmen wollte, hätte ich damit kein Problem gehabt. Ich rief die Polizei an und meldete die Sperrung des Turms. Die Polizistin am anderen Ende der Verbindung fragte mich, ob irgendwer dabei war, das Gebäude anzugreifen. Ich verneinte, worauf sie sagte, dass ich für die Nacht auf mich selbst angewiesen war, und legte auf.
Dreißig Minuten später meldete das Sicherheitssystem, dass der Eingang zur Garage geöffnet wurde, um den Laster des Arnold Tower hereinzulassen. Ich starrte die automatische Meldung eine Weile an, weil ich genau wusste, wo der Laster parkte. Ich schaltete den Überwachungsmonitor auf die Garagenkamera um und sah keinen Laster, sondern vier Personen, die über die Garagenzufahrt hereinkamen. Zwei trugen große Taschen, eine schleifte eine weitere Person mit sich. Ich sah mir die ersten zwei eine Weile an, bis ich endlich erkannte, wer sie waren.
Ich regte mich furchtbar auf. Dann dachte ich nach – so schnell wie noch nie zuvor in meinem Leben.
Mein Telefon klingelte. Ich nahm den Anruf an.
»Inzwischen weiß ich, dass du mich über deine Überwachungskameras sehen kannst«, sagte Marcus Rosen. »Also weißt du inzwischen auch, wen ich bei mir habe.«
»Ich kann sie sehen«, sagte ich und richtete den Blick auf Leah.
»Gut«, sagte Marcus. »Will hat mir gesagt, dass du immer noch in sie verschossen bist, womit er vermutlich Recht hat. Also dachte ich mir, dass sie zur Motivierung nützlich sein könnte. Jetzt hör mir gut zu, Benjamin. Es tut mir leid, dass du derjenige bist, mit dem ich mich auseinandersetzen muss, aber damit müssen wir jetzt leben. Wenn du kooperierst, können wir die Sache sehr schnell hinter uns bringen. Ich bin hier, um ein paar Genproben von euren Schweinen zu nehmen. Mehr will ich gar nicht. Wir werden ihnen nicht wehtun, wir brauchen nur ein paar Abstriche von der Haut. Ganz einfach, schnell und schmerzlos, und danach wirst du deine Freundin Leah wiederbekommen. Klingt
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