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Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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Welt sehen.«
    Marcus lächelte. »Und? Hast du etwas davon gesehen?«
    »Etwas«, sagte ich und listete die Orte auf, die ich besucht hatte.
    »Aha«, sagte Marcus. »Ich verstehe. Du hast etwas von der Welt gesehen, aber nur die sicheren Teile.«
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte ich.
    »Du bist zu all den anderen hermetisch abgeriegelten Bereichen auf der Landkarte gereist«, sagte Marcus. »All die anderen Städte, die wie New St. Louis sind. Der footprint-neutrale, umweltfreundliche Archipel der New-Age-Stadtstaaten, die über den Globus verstreut sind. Die sich vom Rest der Welt abgeschottet haben und die sich für besonders tugendhaft halten, weil sie es getan haben. Hältst du diese Gemeinschaften für tugendhaft?«
    »Von Tugendhaftigkeit habe ich keine Ahnung«, sagte ich. Mir war nicht klar, worauf Marcus hinauswollte. »Ich glaube, dass wir einfach nur versuchen, nicht zu verhungern, wie es alle anderen tun.«
    Marcus legte den Kopf schief. »Ihr New Louies könntet allen anderen dabei helfen, nicht zu verhungern, wenn ihr wolltet«, sagte er. »Wenn ich es richtig mitbekommen habe, hat sich deine Mutter dafür eingesetzt, dass New St. Louis einen Teil seiner Technologie weitergibt, aber niemand sonst konnte sich für ihre Argumente begeistern. Warum ist das passiert?«
    »Ich glaube, die Leute haben sich zu sehr über diese Proteste geärgert«, sagte ich. »Meine Mutter hat durchgesetzt, dass die Stadt einen Teil ihrer Lebensmittelüberschüsse abgibt, aber das scheint uns niemand gedankt zu haben. Ich glaube, auch darüber haben sich die Leute sehr geärgert.«
    »Es hat auch mich geärgert«, versuchte Will wieder ins Gespräch einzusteigen. Leah schwieg und begnügte sich damit, uns drei zu beobachten.
    Marcus sah seinen Bruder mit einem Lächeln an, doch dann wandte er sich wieder an mich. »Ich glaube, was die Demonstranten geärgert hat, war, dass New St. Louis den Leuten in der Wildnis einen Fisch gab, statt ihnen beizubringen, wie man fischt.«
    »Ich kann dir nicht mehr folgen«, sagte ich.
    »›Gib einem Menschen einen Fisch, und du ernährst ihn einen Tag‹«, psalmodierte Marcus. »›Lehre ihn das Fischen, und du ernährst ihn ein Leben lang.‹ Dieses Sprichwort hast du bestimmt schon einmal gehört. Damit will ich sagen, dass die Menschen in der Wildnis sehr wohl den Unterschied zwischen einem Fisch und dem Wissen, wie man Fische fängt, kennen. Sie ärgern sich, dass sie das eine bekommen, obwohl sie das andere brauchen.«
    »Aber die Stadt ist überhaupt nicht verpflichtet, ihnen Fisch zu geben«, sagte ich.
    »Natürlich nicht«, sagte Marcus. »Das ist der Vorteil, wenn man in einem footprint-neutralen Paradies lebt, nicht wahr? Ihr genügt euch selbst. Ihr könnt euer kleines Uhrwerk weiterlaufen lassen, während die ganze Welt um euch herum den Bach runtergeht. Aber das ist eine Lüge. John Donne hat es auf den Punkt gebracht, als er sagte, dass niemand eine Insel ist. Das Gleiche gilt für eine Stadt, Benjamin. Zumindest deine Mutter hat das erkannt. Deshalb versucht sie, dieses Transferprogramm durchzuziehen. Oder hat es versucht, bis ihr klarwurde, dass sie demnächst wiedergewählt werden möchte. Ich habe es erkannt. Das ist der Grund, warum ich nie meine Eignungstests gemacht habe. Deshalb habe ich gewartet, bis sie zur Wohnung meiner Familie kommen, mir diesen idiotischen Gerichtsbeschluss zustellen, mich zum Stadttor führen und mir diese lächerliche Kreditkarte in die Hand drücken. Sie dachten, sie würden mich aus dem Paradies vertreiben, aber ich wusste, dass ich die Freiheit erlangte. Ich habe mich gefragt, ob du es vielleicht ebenfalls erkannt hast, Benjamin.« Wieder legte Marcus den Kopf schief. »Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Und ich überlege mir, ob das vielleicht sehr schade ist.«
    Ich saß noch eine Sekunde lang da, bis ich aufstand. »Ich glaube, ich halte dich davon ab, alle Neuigkeiten mit deinem Bruder auszutauschen«, sagte ich, nickte Marcus und Will zu und entfernte mich.
    Leah folgte mir wenige Sekunden später. »Was hatte das alles zu bedeuten?«, fragte sie.
    »Ich schwöre dir, dass ich nicht den leisesten Schimmer habe«, sagte ich.
    »Ich glaube, Marcus wollte dir etwas sagen.«
    »Mir ist klar, dass er mir etwas sagen wollte«, erwiderte ich. »Ich weiß nur nicht, was. Und ich habe das Gefühl, dass es mir nicht gefällt.«
    Leah machte den Eindruck, als wollte sie noch etwas sagen, aber dann hörten wir Schreie von

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