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Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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seit über einer Stunde bearbeitet, Daten gesammelt, seine Augenreflexe und Kieferbewegungen ausgewertet, aber mit einer direkten Befragung hat man es noch nicht probiert.
    Was zugegebenermaßen nur selten bei Leuten funktioniert, die unfreiwillig zu Besuch in Symmetrie sind, aber es ist dennoch ein zutiefst amüsantes Problem.
    Gloria funkelt Bashar erneut böse an, und während ihre Hände bis zu den Ellbogen in ihren Daten stecken, wendet sie Tygre ihren harten Blick zu. »Name?«
    »Tygre.«
    »Mehr nicht?«
    »Tygre Tygre, um genau zu sein.« In seinem Tonfall liegt eine gutmütige Wärme. »In der alten Schreibweise.«
    »Aber sicher«, sagt Anna mit vernichtender Betonung. In einer Stadt, die Menschen mit Namen wie Starbanner, Undine oder Taupe Pantyhose beherbergt, empfindet Bashar das als etwas unfair.
    Gloria beobachtet misstrauisch ihre Anzeigen. »Wo sind Sie geboren?«
    »Nirgendwo.«
    Anna lässt die Zange zusammenschnappen und tut, als würde sie einen Fingerknöchel brechen, doch Gloria bringt sie mit einem Wink zum Schweigen.
    »Wie sind Sie hierhergekommen?«
    »Zu Fuß.«
    »Von wo?«
    »Weiter bergab.«
    Bewunderswert wahrheitsgemäße Antworten, wird Bashar bewusst, und zugleich völlig nutzlos. Aber da ist noch etwas anderes in Glorias Gesichtsausdruck.
    »Anna, komm mal her«, sagt sie leise.
    Tygre wahrt seine Maske der Liebenswürdigkeit, während die zweite Verhörspezialistin auf die andere Seite dieses Lavatunnelsegments geht. Weder sprechen sie laut miteinander noch geben sie Bashar irgendeinen Hinweis. Beide Köpfe sind sofort auf das leuchtende, summende Universum aus Informationen konzentriert, die über dem Haufen aus zerbrochenen Steinen projiziert werden.
    »Haben Sie jemals ein Automobil besessen, Tygre?«, fragt Gloria nach ein paar Minuten.
    »Niemals.«
    »Einen Roller? Ein registriertes Fahrrad?«
    »Niemals.«
    »Keine Bankkonten«, sagt Anna.
    »Was wohl kaum als Verbrechen einzustufen ist«, wirft Bashar unwillkürlich ein. »Die Hälfte der hier lebenden Menschen hat zusammenfaltbares Geld niemals auch nur berührt, ganz zu schweigen vom Besitz eines Kontos.«
    »Er ist nicht die Hälfte der hier lebenden Menschen«, murmelt Gloria.
    Anna geht mit der Zange zurück zu Tygre. »Sagen Sie mir, was passieren wird, wenn ich das hier benutze, Mann!«
    Tygres Lächeln wird breiter. »Sie würden es vermutlich vorziehen, es nicht in Erfahrung zu bringen.«
    »Falsche Antwort, Mann!« Ihr Blick wandert zu ihrem enormen Bizeps.
    Er folgt ihrem Blick und hebt eine Hand. Für einen kurzen Moment berühren sie sich, Finger an Arm, und Bashar wird klar, wie riesig Tygre in Wirklichkeit ist. Anna ist nicht groß, aber ihre Steinmetzarme sind dicker als Bashars Oberschenkel. Tygres Finger wirken selbst auf ihren Tattos übergroß.
    Der tätowierte Sturm beruhigt sich unter seiner Berührung, wie ein Sonnenstrahl, der durch die Wolken bricht. So etwas hat Bashar noch nie zuvor gesehen.
    »Richtige Antwort, Frau.« Er steht auf und schüttelt die Fesselriemen ab, als wären sie gar nicht zugeschnallt gewesen. »Ich glaube, dieses Verhör ist beendet.«
    »Es ist beendet, wenn ich es sage«, erwidert Gloria heftig.
    Anna ist von ihren eigenen Tattoos fasziniert und sagt nichts.
    »Haben Sie überhaupt irgendwelche Datenspuren von mir gefunden?«
    »Nein …«, muss sie widerwillig eingestehen.
    »Auf welcher gesetzlichen Grundlage wollen Sie mich also weiterhin festhalten?«
    Solange Bashar sich im Verhörzimmer aufhält, kann Gloria kaum einen Sicherheitsnotfall erklären. Und bei Drohungen würde Bashar sofort als Schlichter einschreiten. In diesem Moment ist ihre Rolle auf die Überprüfung beschränkt. Eigenmächtigkeiten, ganz gleich, auf welcher Grundlage, kommen nicht mehr infrage.
    Tygre wendet sich an Bashar. »Ich möchte Ihr Volk kennenlernen.« Er nickt zuerst Gloria, dann Anna feierlich zu. »Würden die Damen mich begleiten?«
    »Lieb er würde ich in der Hölle nackt baden«, knurrt Gloria.
    Anna lächelt und nimmt die Hand des großen Mannes. Nach den Körpergrößen hätte sie sein Kind sein können, die Riesentochter eines Riesenvaters.
    Sie gehen durch die in tiefen Schatten liegenden Gänge von Symmetrie zurück, vorbei an geborgenen Bürotrennwänden und solchen, die aus Beton errichtet wurden. Bashar läuft ihnen hinterher. Aus dem tiefsten Bereich des Lavatunnels schwappen Glorias unablässige monotone Flüche wie Wellen an einer fernen Küste über sie

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